Petro Poroschenko kommt den Separatisten weit entgegen, stellt aber Bedingungen

Kiew. Waffenstillstand, Dezentralisierung und das Recht auf russische Sprache. Der 14-Punkte-Friedensplan des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko soll Moskau und den prorussischen Separatisten im Osten seines Landes entgegenkommen. Die von ihm am Freitagabend verkündete einwöchige Waffenruhe ist ein erster Schritt in diese Richtung. Ob das Blutvergießen nun endet und Frieden eingekehrt, ist weiter unsicher. Die Rebellen werden sich auf Poroschenkos Vorschlag kaum einlassen. Sie bestehen auf der Unabhängigkeit ihrer „Volksrepubliken“ und gehen in der Ostukraine weiter in die Offensive.

Am Abend enthüllte der Präsident in Kiew hinter verschlossenen Türen seinen Plan für die Ostukraine. Beamte, Regierungsvertreter und Wirtschaftsbosse aus Donezk und Lugansk waren zu später Stunde in den Präsidentenpalast gekommen. Dort verlas Poroschenko den wichtigsten Punkt auf seinem Strategiepaper: Armee und Nationalgarde stellen die Kämpfe einseitig ein. „Das wird sehr bald geschehen“, sagte der bei dem Treffen anwesende Donezker Bürgermeister Alexander Lukjantschenko.

Um zu verhindern, dass weitere Waffen und Kämpfer aus Russland in die Ukraine einsickern, soll die Armee entlang der Grenze eine zehn Kilometer breite Pufferzone einrichten. Rebellen, die Kalaschnikows und Panzerfäuste niederlegen, bietet Poroschenko eine Amnestie an. Das ließ er bereits bei seiner Amtseinführung am 6. Juni durchblicken. Russischen Söldnern garantiert der Friedensplan freies Geleit zur Grenze. Im Gegenzug sollen die Separatisten die Kämpfe einstellen, besetzte Verwaltungsgebäude räumen und Geiseln freilassen.

Mehr als 100 Menschen halten die Milizen derzeit in Kellern von besetzten Polizeiwachen gefangen. Unter den Geiseln sind Soldaten und Geheimdienstleute, aber auch Politaktivisten und ganz normale Bürger. Sogar zwei Theaterregisseure befinden sich in der Gewalt der Rebellen. Acht OSZE-Mitarbeiter, die im Mai im Donezker und Lugansker Gebiet entführt worden waren, befinden sich immer noch in Geiselhaft.

Verhandlungen mit bewaffneten Separatisten lehnt Poroschenko ab. „Gespräche führt er nur mit denen, die den Friedensplan unterstützen“, sagt Irina Geraschtschenko, Sonderbeauftragte des neuen Präsidenten für die Ostukraine. Milizen, die Flugzeuge abschießen und ohne Skrupel Menschen töten, gehörten nicht dazu. Der Oligarch Rinat Achmetow, der in der Ostukraine einen Großteil der Wirtschaft kontrolliert und am Donnerstag ebenfalls mit Poroschenko sprach, kritisiert die Strategie des Präsidenten. „Die Leute interessiert nicht der Prozess, sie brauchen ein Resultat, und zwar Frieden“, sagt der Milliardär in einer Video-Ansprache.

Indirekt befürwortet der Großunternehmer Gespräche mit den Separatisten. „Der Donbass braucht Frieden, aber Kiew sagt, man wolle sich niemals mit Terroristen an einen Tisch setzen“, kritisiert Achmetow.

Seit Beginn der Krise sitzt der Mann mit den gescheitelten Haaren zwischen zwei Stühlen. Offiziell steht Achmetow aufseiten Kiews. Dennoch gibt er sich diplomatisch und tritt als Vermittler auf, denn die Separatisten drohen, seine Unternehmen zu enteignen. Poroschenko will die Ukraine wieder zusammenführen. Sein aktueller Friedensplan soll die Gräben zwischen Ost- und Westukraine schließen und die umstrittene Sprachenfrage lösen.

Die Separatisten behaupten, Kiew wolle den Ostukrainern die russische Sprache wegnehmen. Geht es nach Poroschenko, soll das Recht auf den Gebrauch der russischen Sprache in der Verfassung verankert werden. Zur zweiten Amtssprache will er Russisch zwar nicht erheben, dafür „entscheidet jede Region selbst, welche Sprache sie spricht“, sagt Sergej Taruta, Gouverneur der Region Donezk. Den Regionen will Poroschenko mehr Eigenständigkeit geben, eine Verwaltungsreform soll das Land dezentralisieren.

Unterstützung erhält Poroschenko von den drei Ex-Präsidenten Leonid Krawtschuk, Leonid Kutschma und Viktor Juschtschenko. Eine Feuerpause, die Amnestie für einige Aufständische und die geplante Dezentralisierung seien der richtige Weg für Frieden, teilten sie in einer gemeinsamen Erklärung mit.

Mit seinem Plan kommt Poroschenko den Separatisten und dem Kreml weit entgegen. Moskau fordert von der Regierung in Kiew die Föderalisierung der Ukraine. Poroschenkos Vorschlag gibt der Ostukraine, wie auch den anderen Landesteilen, mehr Eigenständigkeit.

In der Nacht zum Freitag beriet Poroschenko erneut telefonisch mit Putin über seinen Friedensplan. Nach Angaben des Kremls verlangte Putin unter anderem „das sofortige Ende des Militäreinsatzes“ gegen die Separatisten. Poroschenko ließ mitteilen, er zähle auf die Unterstützung Moskaus.

Stattdessen marschierten in den vergangenen Tagen erneut zahlreiche russische Soldaten nahe der ukrainischen Grenze auf. Kritik der Nato an der Truppenkonzentration wies Kremlsprecher Dimitri Peskow am Freitag zurück. Russland wolle nur die Grenzen sichern, so wie vom Westen gefordert, sagte Peskow. Dies habe Wladimir Putin „vor Wochen“ mit westlichen Partnern besprochen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dagegen äußerte Besorgnis über die russischen Truppenbewegungen. Bundesregierung und EU seien unverändert zu weiteren Sanktionen bereit, sollte Russland nicht zu einer Deeskalation im Osten der Ukraine beitragen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag.