Auspeitschungen und Massengräber. Washington entsendet Flugzeugträger in den Persischen Golf

Bagdad. Nach dem brutalen Vormarsch der Terrorgruppe Isis im Irak hat die Armee nach eigenen Angaben am Wochenende eine Gegenoffensive gestartet. Bei heftigen Gefechten kamen mehr als 30 Menschen ums Leben, darunter mindestens zehn Zivilisten. Weitere zwölf Menschen starben bei einem Selbstmordanschlag in Bagdad. Auf Fotos und Videos im Internet zeigten Isis-Extremisten Auspeitschungen, Erschießungen und Massengräber. Experten warnten vor einem Kollaps des multiethnischen Staates Irak – mit Erschütterungen weit über die Krisenregion Nahost hinaus.

Die Regierungen in Washington und Bagdad machen massiv gegen die Islamisten mobil. Mit der Entsendung eines Flugzeugträgers bereiteten die USA einen Militärschlag vor, der von Präsident Barack Obama erwogen wird. Der irakische Ministerpräsident Nuri al-Maliki setzte seinerseits auf schiitische Milizen, um den Vormarsch sunnitischer Kämpfer zu stoppen. Die Extremisten hatten in den vergangenen Tagen mehrere Städte im Norden eingenommen, waren auf dem Weg nach Süden in Richtung Bagdad zuletzt aber auf Widerstand gestoßen. Am Sonntag trieben sie ihre Offensive dafür im Nordwesten voran, wo sie sich nahe der syrischen Grenze Gefechte mit Polizei und Militär lieferten.

Kriegsschiffe wie der nun in den Persischen Golf entsandte Flugzeugträger USS „George H.W. Bush“ würden oft für Luftangriffe, aber auch als Basis für Aufklärungsflüge genutzt, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Washington. Obama hatte am Freitag erklärt, er werde in den kommenden Tagen entscheiden, wie die USA dem Irak im Kampf gegen die Aufständischen helfen könnten. Einen Einsatz von Bodentruppen schloss der Präsident aus. Er hatte vor Jahren nicht zuletzt mit seinem Widerstand gegen den Irak-Krieg das Weiße Haus erobert. Nach der US-geführten Invasion 2003 starben in den folgenden Jahren mehr als 4000 US-Soldaten bei ihrem Einsatz zwischen Euphrat und Tigris.

Dort will die Gruppe Islamischer Staat im Irak und Syrien (Isis) in der Grenzregion zu Syrien einen Gottesstaat errichten. Weil sie damit die vor einem Jahrhundert noch von den damaligen Kolonialstaaten gezogenen Grenzen im Nahen Osten verschieben könne, hat sie die Politik auch über den Irak hinaus alarmiert. So hat die schiitische Regionalmacht Iran angesichts der Isis-Bedrohung in ihrem Nachbarland sogar ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem Erzfeind USA bekundet.

Eine Zusammenarbeit mit den USA sei grundsätzlich möglich, sagte der iranische Präsident Hassan Ruhani. „Wenn wir sehen, dass die Vereinigten Staaten Maßnahmen unternehmen gegen terroristische Gruppen im Irak, ist dies denkbar“, so Ruhani unter Verweis auf die „engen und intimen Beziehungen“ seines Landes zu Bagdad. „Wir haben gesagt, dass alle Länder in der Bekämpfung des Terrorismus zusammenstehen müssen. Bislang allerdings haben wir in Bezug auf den Irak nicht sehen können, dass die USA eine Entscheidung getroffen hätten.“

Im Kern handelt es sich bei der aktuellen Irak-Krise um eine Eskalation des seit Jahren schwelenden Konflikts zwischen den beiden im Irak vertretenen Islam-Glaubensrichtungen der Sunniten und Schiiten. Während die Minderheit der Sunniten bis zum Sturz von Ex-Machthaber Saddam Hussein bei der US-Invasion vor gut elf Jahren in dem Land das Sagen hatte, regiert mit Maliki nun ein Vertreter der Schiiten in Bagdad und sorgt unter den Sunniten für Unzufriedenheit. Diese macht sich das Isis-Bündnis zunutze und rekrutiert auch ehemalige Soldaten, die die Offensive der vergangenen Tage maßgeblich vorantreiben konnten.

Doch inzwischen folgten Tausende Schiiten einem einflussreichen Prediger, der die Bevölkerungsgruppe im Kampf gegen Isis zu den Waffen gerufen hatte. Am Sonnabend meldete die Regierung in Bagdad dann, die eigenen Kräfte hätten einige Gebiete zurückerobern können. Das Militär habe generell wieder die Oberhand. Im Nordwesten des Landes griffen die schwarz gekleideten Isis-Kämpfer allerdings am Sonntag die Stadt Tal Afar an. Wie leicht dort die Kämpfe entbrannten, wirft ein Schlaglicht auf das aufgeheizte Klima zwischen den Bevölkerungsgruppen. Sunniten in dem Ort warfen der von Schiiten geführten Polizei und Militär vor, ihre Bezirke mit Granaten beschossen zu haben. Dies rief Isis-Kämpfer auf den Plan, die bereits außerhalb der Stadt stationiert waren. Die Lage sei desaströs, es gebe heftige Kämpfe, sagten örtliche Behördenvertreter. Die meisten Familien seien in ihren Häusern gefangen, vielen Zivilisten drohe der Tod.

Auch andernorts wurde das Land am Sonntag wieder von Gewalt erschüttert. So starben bei einem Selbstmordanschlag in Bagdad mindestens zehn Menschen, 20 weitere wurden verletzt. Der Attentäter zündete nach Angaben von Polizisten und Ärzten in der Nähe des Tahrir-Platzes im Zentrum der irakischen Hauptstadt eine Sprengstoffweste. Nördlich der Hauptstadt wurden zudem sechs Menschen getötet, als Granaten in einem Rekrutierungsbüro des Militärs einschlugen. Die USA riefen den Irak zu Geschlossenheit im Kampf gegen die Extremisten auf.