Doch die Separatisten im Osten der Ukraine trauen dem neuen Staatschef nicht über den Weg

Kiew/Moskau. Nach der überraschenden Ankündigung einer Waffenruhe durch den neuen ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko gibt es wieder Hoffnung auf eine friedliche Lösung des Konflikts. „Wir sollten in dieser Woche das Feuer einstellen“, sagte der 48-Jährige. Es ist das erste Signal des zuvor als Staatschef vereidigten Poroschenko, der einen Friedensplan für die von blutigen Kämpfen erschütterte Ost-Ukraine angekündigt hat. „Jeder Tag, an dem Menschen sterben, jeder Tag, an dem die Ukraine solch einen hohen Preis bezahlt, ist unannehmbar“, sagte er. Einen genauen Zeitpunkt nannte Poroschenko bei der Sitzung einer Kontaktgruppe mit Diplomaten allerdings nicht.

Vor allem Russland fordert seit Tagen mit Nachdruck ein Ende des Militäreinsatzes, damit ein Dialog beginnen könne. Kremlchef Wladimir Putin hatte am Sonnabend als Zeichen des Entgegenkommens verschärfte Sicherheitsvorkehrungen an der Grenze zur Ukraine angeordnet, um das weitere Eindringen Bewaffneter in die Krisenregion zu unterbinden. Dabei geht es um Söldner vor allem aus Russland.

Die Separatisten in den umkämpften Gebieten Lugansk und Donezk reagierten zurückhaltend und mit Misstrauen auf die Ankündigung Poroschenkos. „Diesen Leuten ist nicht zu trauen“, sagte ein Sprecher der von Kiew nicht anerkannten „Volksrepublik Lugansk“ am Montag. „Die Mobilisierung ist nicht beendet. Wir haben Krieg. Wir eröffnen nicht zuerst das Feuer, sondern nur zur Verteidigung“, sagte er. Auch aus der „Volksrepublik Donezk“ gab es Zweifel an Poroschenkos Worten. Beide Regionen streben einen unabhängigen Staat Noworossija (Neurussland) an.

Das ukrainische Verteidigungs- und das Innenministerium seien ebenfalls nicht vorbereitet auf ein Ende der Operation, berichteten Medien in Kiew. Die Regierungstruppen würden vielmehr gerade mit besserer Ausrüstung – vor allem Schutzwesten – und mehr Essen versorgt, hieß es. Alle Einheiten seien zu 100 Prozent einsatzbereit, teilte Innenminister Arsen Awakow mit. Die militanten prorussischen Kräfte berichteten, dass die Vororte der Separatisten-Hochburgen Slawjansk und Kramatorsk noch immer unter Artilleriebeschuss stünden. Slawjansk ist vollständig eingekesselt. Es gab auch am Wochenende Tote und Verletzte in dem Krisengebiet, wie die Separatisten mitteilten. Die Regierung geht seit Wochen mit einer „Anti-Terror-Operation“ in den Gebieten vor – unter Einsatz von Kampfflugzeugen und Panzern.

Russland zeigte sich enttäuscht von den Ankündigungen des Präsidenten. Die Chefin des Föderationsrates, Valentina Matwijenko, kommentierte im Moskauer Staatsfernsehen die Antrittsrede Poroschenkos, der einen Westkurs und eine enge Partnerschaft mit der EU und den USA ankündigte, abschätzig als „Illusionen“. Ohne Russland werde die Ukraine nicht aus der politischen und wirtschaftlichen Krise kommen. Zuerst müsse aber das Blutvergießen enden, damit ein Dialog beginnen könne.

Auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) warnte Kiews Führung vor unverhältnismäßigen Gewaltaktionen. „Das Ergebnis militärischer Operationen in der Ost-Ukraine darf nicht sein, dass die Separatisten noch mehr Zulauf bekommen“, sagte Steinmeier dem „Tagesspiegel am Sonntag“. Steinmeier reist an diesem Dienstag nach St. Petersburg, um mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow über Schritte für eine Entspannung der Lage zu sprechen. Moskau und Kiew verhandelten außerdem weiter über eine Lösung in ihrem Preisstreit für russische Gaslieferungen.