Wie man nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs seine Privatsphäre besser schützen kann

Luxemburg. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hat einige grundlegende Fragen beantwortet, andere offen gelassen. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Wer darf Links löschen lassen?

Jeder, der der Meinung ist, dass sein Recht auf Privatsphäre verletzt wird. Ausnahmen sind laut Gericht nur bei Personen des öffentlichen Lebens erlaubt, bei denen es ein „überwiegendes Interesse der breiten Öffentlichkeit am Zugang zu diesen Informationen“ gibt, wie es in einer Mitteilung des EuGH heißt.

An wen können sich Betroffene wenden?

Zuerst einmal an die Suchmaschinen-Betreiber. Ein Prozedere dafür gibt es noch nicht, dürfte aber in Kürze zur Verfügung stehen. Google ist offenbar von der Entscheidung überrascht worden und bezeichnete sie als enttäuschend. Es brauche nun Zeit, die Konsequenzen abzuschätzen und zu bewerten, erklärte ein Sprecher in Brüssel. Sollte der Suchmaschinen-Betreiber jedoch einen Link nicht löschen wollen, kann sich der Nutzer an ein Gericht wenden. „Da die Webseite überall in Deutschland abrufbar ist, könnte sich der Verletzte dafür abhängig vom Streitwert ein beliebiges Amts- oder Landgericht aussuchen“, sagt Jens Nebel, Datenschutz-Experte bei der Anwaltskanzlei Kümmerlein in Essen.

Welche Daten sind löschbar?

Hier fehlt eine eindeutige Eingrenzung. Löschbar sind Links zu Webseiten mit sensiblen persönlichen Informationen, wenn festgestellt wird, „dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Einbeziehung der Links in die Ergebnisliste nicht mit der Richtlinie vereinbar sind“, heißt es beim EuGH. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Daten ursprünglich richtig waren und rechtmäßig veröffentlicht wurden. Sie können nämlich, so das Gericht, im Laufe der Zeit nicht mehr den Bestimmungen der Datenschutzrichtlinie entsprechen, wenn sie beispielsweise „nicht oder nicht mehr erheblich sind“. Vor allem dieser Punkt dürfte Auslegungssache werden. „Ab wann hat eine personenbezogene Information ein Verfallsdatum? Das ist die Frage, die jetzt völlig offen ist“, sagt Datenschutz-Experte Nebel.

Für wen gilt das Recht?

Nach dem jüngsten Urteil spielt es keine Rolle, wo ein Suchmaschinenbetreiber die Daten verarbeitet und wo seine Rechenzentren stehen. Das EuGH hat klargestellt, dass das Datenschutzrecht des Landes gilt, in dem das Unternehmen am Markt tätig ist und sein Geld verdient. Eine Niederlassung in einem Land reicht dafür aus. Einige Fachleute sind der Meinung, dass sich ein Anbieter auch dort fügen muss, wo er keine Niederlassung hat. „Der Richterspruch gilt für alle Angebote, bei denen sich Google mit Werbung an ein bestimmtes Land richtet“, sagt der Kölner IT-Fachanwalt Christian Solmecke. So wird auch beim Aufrufen der Seite www.google.com von einem Computer in Deutschland auf den Ergebnisseiten Werbung aus Deutschland angezeigt.

Was bedeutet das Urteil für andere Anbieter?

Google ist weltweit der führende Suchmaschinen-Betreiber, in Deutschland liegt der Marktanteil bei mehr als 90 Prozent. Damit ist Google auch am stärksten von der Entscheidung betroffen. Inhaltlich gilt sie für den Konkurrenten Microsoft mit seiner Suchmaschine Bing zwar gleichermaßen, doch die Geschäfte von Microsoft hängen viel weniger am Sammeln und Verarbeiten von Daten seiner Nutzer. „Wir analysieren die Entscheidung noch“, heißt es bei Microsoft. Ein Eingriff auf die Ergebnisse einer Suchanfrage, wie er nun vom EuGH ermöglicht wird, dürfte auch Facebook empfindlich treffen.

Werden Informationen nun auch aus Zeitungsarchiven gelöscht?

Nein. In Deutschland hatte 2012 der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe entschieden, dass eine Zeitung 20 Jahre alte Berichte über Straftaten nicht anonymisieren oder ganz aus ihren Online-Archiven löschen muss. Auch der EuGH hat nun nicht über die Berichte in der Tageszeitung „La Vanguardia“ entschieden. Die spanische Datenschutzagentur AEPD hatte bereits zuvor die Beschwerde gegen die Zeitung mit der Begründung zurückgewiesen, der Herausgeber habe die betreffenden Informationen rechtmäßig veröffentlicht.