Zum Auftakt des Gipfeltreffens in Brüssel wurden weitere Einreise- und Kontaktsperren diskutiert. Das Bankgeheimnis für Ausländer fiel

Brüssel. Die 28 EU-Regierungen wollen Russland mit dem Beschluss weiterer Sanktionen ein Signal der Geschlossenheit und Entschiedenheit in der Ukraine-Krise senden. Mehrere EU-Staats- und Regierungschefs erklärten am Donnerstag beim abendlichen Treffen zum Auftakt des EU-Gipfels in Brüssel, dass weitere Russen mit Einreise- und Kontensperren belegt werden sollten. Die EU-Regierungen wollten dies noch am Donnerstagabend beschließen. Bisher sind 21 Ukrainer und Russen auf der EU-Sanktionsliste. Ihnen wird eine direkte Vorbereitung des als völkerrechtswidrig eingestuften Anschlusses der ukrainischen Halbinsel Krim an Russland vorgeworfen. Auch die USA haben ihre Sanktionsliste um weitere prominente Russen erweitert.

„Wir werden sehr deutlich machen, dass wir bei weiterer Eskalation auch bereit sind, wirtschaftliche Sanktionen einzuführen“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie sei sehr optimistisch, dass sich die EU geschlossen zeigen werde. Ähnlich äußerte sich Frankreichs Präsident François Hollande. Er sagte, dass unter den gegebenen Umständen der EU-Russland-Gipfel im Juni nicht stattfinden könne. „Falls Russland einverstanden mit Verhandlungen ist, falls eine Deeskalation bestätigt wird, werden wir nicht zu anderen Sanktionen übergehen“, so Hollande.

Durch den Konflikt um die Krim sieht der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz (SPD), die Gefahr eines Krieges nach Europa zurückgekehrt. „All diejenigen, die geglaubt haben, Krieg oder Kriegsgefahr wären kein Thema mehr, sehen sich eines Besseren belehrt“, sagte Schulz auf dem EU-Gipfel. „Wir reden vom Risiko eines bewaffneten Konflikts.“

Schulz äußerte die Befürchtung, dass sich Russlands „Begehrlichkeiten“ nicht auf die Krim beschränkten. „Und deswegen ist jeder weitere Schritt der russischen Regierung zu beantworten mit verschärften Sanktionen“ bis hin zu einer „dramatischen wirtschaftlichen Konfrontation“, sagte der EU-Parlamentspräsident. Die EU müsse Moskau deutlich machen, dass sie ein Überschreiten der von Russland erreichten Grenze nicht akzeptiere.

Die EU-Staats- und Regierungschefs wollen am heutigen Freitag den politischen Teil des Partnerschaftsabkommens mit der Ukraine unterzeichnen. Der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk wird an der Zeremonie teilnehmen. Er hat die EU aufgerufen, Russland mit Wirtschaftssanktionen Einhalt zu gebieten. „Jedem sollte klar sein, dass für Stabilität in der Welt ein Preis zu zahlen ist“, sagte Jazenjuk laut Regierungsangaben am Rande des EU-Gipfels. „Da gibt es zwei Wege: entweder mit Opfern (eines Konfliktes) oder mit Euro und Dollar.“

Die Europäische Union erwägt derweil nach Angaben von Diplomaten eine rasche Entsendung von mehreren Hundert Beobachtern in die Ukraine. Die Beobachtermission, die „so schnell wie möglich“ in die Ukraine geschickt werden solle, sei anders als bisher nicht unter dem Dach der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) geplant, hieß es von Diplomaten am Rande des EU-Gipfels. Die bisherigen Versuche, eine solche Beobachtermission unter dem Dach der OSZE zu organisieren, seien an Russland gescheitert. Russland habe als OSZE-Mitglied gegen die Pläne entweder sein Veto eingelegt oder Bedingungen gestellt, welche die Mission sinnlos gemacht hätten. Daher gebe es nun die Überlegung, die Mission unter dem Dach der EU zu realisieren.

Neben Verhandlungen bezüglich der Krim-Krise gab es bereits zum Auftakt des Treffens weitere Beschlüsse. So fällt in der EU das Bankgeheimnis für Ausländer. Die EU-Staats- und Regierungschefs einigten sich darauf, das neun Jahre alte Zinssteuergesetz zu verschärfen, berichteten luxemburgische Diplomaten. Dies bedeutet eine Ausweitung des Informationsaustauschs zwischen den Steuerbehörden der EU-Länder. Auch Luxemburg und Österreich, die bisher am Bankgeheimnis für EU-Ausländer festhalten, ziehen mit. Das Gesetz regelt bis jetzt, dass Mitgliedstaaten einige Zinserträge von EU-Ausländern an die Steuerbehörden des jeweiligen Heimatlandes melden. Das verschärfte Gesetz soll in der kommenden Woche vom EU-Ministerrat förmlich verabschiedet werden.

Zudem hat in der Europäischen Union künftig jeder Bürger das Recht auf ein Bankkonto. Unterhändler von EU-Parlament, EU-Staaten und EU-Kommission einigten sich auf eine Richtlinie, die jedem Interessierten ein Basiskonto ermöglichen soll.

Martin Schulz rief zudem die europäischen Regierungen auf, sich so schnell wie möglich auf ehrgeizige Klimaschutzziele für 2030 zu einigen. „Wir würden nicht nur nachhaltiges Wachstum schaffen, sondern auch unsere Abhängigkeit von Energieimporten aus Drittstaaten verringern.“ Die Ukraine-Krise zeige nur zu deutlich, wie wichtig eine Loslösung von jeglicher Form der Energieabhängigkeit sei. Ein Viertel aller europäischen Gasimporte komme von Russland durch Gasleitungen in der Ukraine. „Das ist auch der Grund, wieso es so wichtig ist, den Energiebinnenmarkt fertigzustellen und eine ausgefeiltere Energieinfrastruktur zu schaffen“, betonte der Parlamentspräsident.

Allerdings planen die 28 Staats- und Regierungschefs nicht, sich bereits auf diesem Treffen auf Zielvorgaben festzulegen. Auch wenn die Zeit drängt, da 2015 die Weltklimakonferenz in Paris ansteht, auf der die internationale Gemeinschaft sich gemeinsam verbindliche Ziele für den Klimaschutz nach 2020 geben will.