Briten und Balten fordern harte Gangart, Süden warnt vor schärferen Sanktionen

Brüssel/Berlin. Selten war ein EU-Spitzentreffen so unkalkulierbar wie das an diesem Donnerstag und Freitag zur Ukraine-Krise. Das vorbereitete Abschlussdokument strotzt vor weißen Zwischenräumen. Was soll dort stehen? Immerhin: Am zweiten Gipfeltag soll im Beisein von Interims-Regierungschef Arseni Jazenjuk mit Kiew die politischen Kapitel des Assoziierungsabkommens unterzeichnet werden, die eine stärkere Rechtsangleichung zwischen Ukraine und EU vorsehen. Aber wie will Europa auf die zunehmende russische Aggression reagieren? Die baltischen Staaten und Großbritannien dringen auf härtere Strafmaßnahmen durch Wirtschaftssanktionen. Diese sollten eigentlich erst verhängt werden, wenn Russland versuchen sollte, den Osten und Süden der Ukraine zu destabilisieren. Demgegenüber warnen Zypern, Spanien oder Griechenland vor Sanktionen.

„Wenn Russland so weitermacht, kann es gut sein, dass die EU schon nächste Woche Wirtschaftssanktionen verhängen wird. Ich gehe davon aus, dass die EU-Kommission, aber auch Berlin und andere Hauptstädte bereits Vorbereitungen dazu treffen“, sagte der Chef des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament, Elmar Brok (CDU). „Zu den Wirtschaftssanktionen sollten schnellstmöglich ein Embargo auf Rüstungsgüter und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck gehören sowie Maßnahmen gegen russische Unternehmen und ihre Tochtergesellschaften“. Allerdings müssten die Sanktionen Platz lassen für sofortige Gespräche. Der portugiesische Premier Pedro Passos Coelho ermahnte die EU-Länder zur Einigkeit: „Wenn wir Sanktionen ins Spiel bringen, dann müssen wir sie auch anwenden – ansonsten riskiert die EU ihre Glaubwürdigkeit. Sie hat ein Sanktionsregime ausgearbeitet, das auf Vermittlung und nicht auf Eskalation setzt.“ Zugleich versicherte er aber: „Wenn die Lage auf der Ukraine es erfordert, dann werden wir härtere Sanktionen anwenden.“

Mit Sorge blickt Brüssel auf die wirtschaftliche Lage der Ukraine. „Kiew hat einen hohen Finanzierungsbedarf“, sagte EU-Währungskommissar Olli Rehn. Neben einem vor vier Jahren genehmigten, aber nicht ausgezahlten Darlehen in Höhe von 610 Millionen Euro sagte die EU eine weitere Milliarde zu. Voraussetzung ist eine Vereinbarung zwischen Kiew und dem Internationalen Währungsfonds. Der hatte ein 15-Milliarden-Hilfspaket eingefroren, nachdem die Ukraine ihre Auflagen nicht erfüllt hatte. Auch jetzt muss sich Kiew zu harten Reformen verpflichten, um Geld zu erhalten. So sollen die Sozialsysteme modernisiert, der Kampf gegen Korruption verschärft und Subventionen für Energie abgebaut werden.