Keine Aussicht auf Kompromiss in der Ukraine-Krise zwischen Westen und Moskau. Die USA schicken Kampfjets nach Osteuropa

Moskau/Washington. Gegen alle Sanktionsdrohungen des Westens treibt Russland einen Anschluss der zur Ukraine gehörenden Krim voran. Gut eine Woche vor einem Krim-Referendum stellt Moskau der Schwarzmeer-Halbinsel die Eingliederung in die Russische Föderation in Aussicht. Als Teil Russlands werde die Krim künftig mehr Rechte haben als in der Ex-Sowjetrepublik Ukraine, versprach die Vorsitzende des Föderationsrats, Valentina Matwijenko, bei einem Treffen mit Krim-Parlamentschef Wladimir Konstantinow.

„Wenn eine solche Entscheidung bei dem Krim-Referendum getroffen wird, dann wird die Republik zu einem gleichberechtigten Subjekt der Russischen Föderation mit allen Rechten und Vollmachten“, kündigte Matwijenko an. Die Bürger der Krim würden alle Rechte russischer Staatsangehöriger haben, gleiche Löhne, Renten und gleichen Anspruch auf Sozialleistungen.

Nicht nur die Abstimmung auf der Krim sorgt international für Widerstand. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) warf Russland vor, mit seinen Entscheidungen zum Krim-Referendum und dem Gesetzentwurf über die Aufnahme neuer Föderationsmitglieder „Öl ins Feuer“ zu gießen. Auch die USA halten die Abstimmung, die am 16. März abgehalten werden soll, für illegal. Eine Zustimmung der russisch dominierten Bevölkerung gilt hingegen als sicher. Die Halbinsel gehört völkerrechtlich zur Ukraine, die das Vorgehen Moskaus für einen Bruch internationalen Rechts hält.

Bei einem Telefonat zwischen Kremlchef Wladimir Putin und US-Präsident Barack Obama blieben die Positionen nach Moskauer Angaben verhärtet. Von US-Seite hieß es, Präsident Putin habe im Gespräch mit Obama betont, die augenblickliche politische Führung der Ukraine sei auf nicht verfassungsgemäßem Weg an die Macht gekommen. Die Vorgänge auf der Krim seien als Folge der Entwicklung in Kiew zu verstehen. Obama machte nach Angaben des Weißen Hauses klar, dass Russlands Vorgehen die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine verletzt habe. Obama schlug Putin zur Konfliktlösung auf diplomatischem Wege direkte Gespräche zwischen den Regierungen der Ukraine und Russlands vor. Dazu war es bislang nicht gekommen, obwohl sich die ukrainische Führung dialogbereit gezeigt hatte.

Das US-Verteidigungsministerium hatte in den vergangenen Tagen mehr als ein Dutzend Kampfjets zu den Nato-Verbündeten Polen und Litauen geschickt. Zudem passierte am Freitag der US-Zerstörer „Truxtun“ auf dem Weg ins Schwarze Meer den Bosporus. Die US-Marine hatte mitgeteilt, das Schiff mit einer Besatzung von etwa 300 Mann wolle an einer Trainingsmission mit der rumänischen und bulgarischen Marine teilnehmen. Am Dienstag waren bereits zwei russische und ein ukrainisches Kriegsschiff auf dem Weg in das Schwarze Meer eingefahren.

Die internationalen Bemühungen um eine Entschärfung des Konflikts liefen weiter ins Leere. Beobachtern der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) blieb der Zugang zur Krim verwehrt. Der Uno-Sondergesandte Robert Serry hatte die Krim verlassen müssen, nachdem er von einer Gruppe teils bewaffneter Männer bedroht worden war. Der Uno-Sicherheitsrat befasste sich bereits zum vierten Mal in sechs Tagen mit der Krise und den Spannungen zwischen Russland und der Ukraine.

Erstmals seit Ende des Kalten Krieges hatte die Europäische Union am Donnerstag einen folgenreichen Sanktionsplan gegen Russland beschlossen. Die im ersten Schritt kleinen Strafmaßnahmen sollen ausgeweitet werden, wenn Russland nicht aktiv zur Deeskalation in der Ukraine beiträgt. Die USA kündigten in der Krim-Krise Einreiseverbote für Beamte an. Auf die ersten Strafmaßnahmen des Westens reagierten russische und Krim-Politiker mit Unverständnis. Die Formulierungen über Russland seien „unannehmbar“ und „ungerecht“, sagte Moskaus EU-Botschafter Wladimir Tschischow in Brüssel. „Russland wird die Sprache von Sanktionen und Drohungen nicht akzeptieren“, teilte das russische Außenministerium mit.

Dagegen setzt die Bundesregierung auf eine Signalwirkung der ersten EU-Sanktionen gegen Russland. Bundeskanzlerin Angela Merkel wies die Forderung der ukrainischen Politikerin Julia Timoschenko nach sofortigen harten Wirtschaftssanktionen gegen Russland zurück. Es gebe seit dem Sanktionsbeschluss der EU vom Donnerstag keinen neuen Sachstand, sagte Merkel am Freitag in Dublin. Die EU habe sehr deutlich gemacht, wie sie vorgehen werde: „Wir erwarten innerhalb weniger Tage die Bildung eines diplomatischen Gremiums“, sagte sie mit Blick auf die vom Westen geforderte und von Russlands Präsident Wladimir Putin im Prinzip zugesagte Kontaktgruppe. „Wenn das nicht der Fall ist, dann wird man weitere Sanktionen ins Auge fassen müssen“, fügte Merkel hinzu. Die Verhandlungen mit der EU über Visa-Erleichterungen seien für die russische Regierung schon seit Jahren ein wichtiges Thema, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts am Freitag in Berlin. Dass diese jetzt ausgesetzt würden, sei „sicher in Moskau angekommen und verstanden worden, dass das ein ganz deutliches Signal ist“.

Der deutsche Vizekanzler Sigmar Gabriel besuchte in Kiew den Maidan, den zentralen Schauplatz der jüngsten blutigen Zusammenstöße mit zahlreichen Todesopfern. Der SPD-Politiker traf auch mit Regierungschef Arseni Jazenjuk zusammen. Auf dessen Rückflug vom EU-Krisengipfel in Brüssel hatte es einen falschen Terroralarm gegeben. Österreichische Medien vermuteten russische Geheimdienstkreise als Drahtzieher des Vorfalls.