Thomas Straubhaar, HWWI-Direktor und Auslandsschweizer, hofft auf weitere Kooperation

Hamburg. Thomas Straubhaar ist über die Abstimmung seiner Landsleute persönlich tief entsetzt und enttäuscht. „Die Entscheidung gegen die Personenfreizügigkeit ist für mich als liberaler und offen denkender Bürger nur schwer erträglich. Auch für die Schweiz ist dies kein guter Tag“, sagt der gebürtige Schweizer und Direktor des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI). Straubhaar selbst ist bekennender und überzeugter Europäer. Der Volkswirtschaftsprofessor lebt und arbeitet seit nunmehr 22 Jahren in Deutschland. Er ist nicht zuletzt durch die Gründung des HWWI fest in der Hamburger Gesellschaft verankert und genießt mit seiner Familie das Leben in der Metropolregion.

Völlig unverständlich war für den 56-Jährigen mit Schweizer Pass schon der Inhalt der Volksabstimmung. Die Schweiz habe nahezu Vollbeschäftigung. Von der Zuwanderung aus Deutschland und der EU hätten in der Vergangenheit auch die Schweizer in besonderem Maße profitiert. Gerade in Grenznähe sei ein „natürlicher Wirtschaftsraum“ entstanden, Tausende Grenzgänger pendelten zwischen Arbeitsplatz und Wohnort, argumentiert Straubhaar. Zugleich arbeiteten viele hoch qualifizierte Fachkräfte aus Deutschland in der Schweiz und umgekehrt. „Es gibt eine Win-win-Situation für beide Länder. Dies ohne Not zu verändern, ist irgendwie widersinnig.“

Auch wirtschaftlich sei ein Ende der europäischen Partnerschaft hochriskant: „Die Schweiz ist existenziell von Europa abhängig, aber auch umgekehrt ist die Schweiz insbesondere für deutsche Exporteure nicht unwichtig.“ So führen deutsche Firmen deutlich mehr Güter in die Schweiz aus als umgekehrt. „Wirtschaftlich kann dies in der langen Frist eine sehr kostspielige Entscheidung für die Schweiz werden.“

Straubhaar hofft nun vor allem, dass die EU mit Bedacht reagiert und nicht beleidigt auf provokanten Konfrontationskurs geht. Nicht auszudenken, was passiere, so Straubhaar, wenn als Reaktion wieder Grenzkontrollen oder Zölle eingeführt würden. Die EU könnte den Luftraum und damit den Anflug auf die Schweiz oder die Schifffahrt auf dem Rhein einschränken oder die Schweiz in Umwelt-, Energie- und Sicherheitsfragen alleine lassen. Es gäbe viele Möglichkeiten für Schikanen, die die Schweiz empfindlich treffen könnten. „Ich hoffe, dass ein Auseinanderdriften verhindert wird. Es würde am Ende nur Verlierer produzieren.“

Mehr als um die wirtschaftlichen Folgen sorgt sich Straubhaar um den nationalkonservativen Geist, der hinter der Abstimmung stecke. „Die Entscheidung richtet sich klar gegen die starke Zuwanderung – vor allem aus Deutschland.“ Es macht Straubhaar fassungslos, dass viele Schweizer die Deutschen nicht als Partner, sondern als Gegner sehen. „Wir sind doch Geschwister im Geiste, sprechen dieselbe Sprache, gehören zum selben Kulturraum. Wenn wir schon in guten Zeiten einen solchen Streit unter Verwandten anzetteln, was passiert dann erst bei Konflikten mit Ländern auf anderen Kontinenten?“

Unterm Strich ist Straubhaar sicher, dass sich die Schweizer mit der Abstimmung selbst am meisten schaden. Für junge Leute werde die Schweiz durch diese neue Abschottung weniger attraktiv. Die Schweizer müssten begreifen, dass man Freiheit nur erhalten könne, wenn man auch anderen Freiheiten einräume.