Frankreich will die Beziehungen zur Alpenrepublik überdenken, Luxemburg droht Konsequenzen an

Bern/Brüssel. Die Schweiz hat sich mit dem Votum für eine strikte Begrenzung der Zuwanderung ins europäische Abseits gestellt. Schon kurz nach der Volksabstimmung wurde im europäischen Ausland der Ruf nach Konsequenzen laut. Frankreichs Außenminister Laurent Fabius sagte: „Wir werden die Beziehungen zur Schweiz überdenken.“ Kritik kam auch vom luxemburgischen Ressortchef Jean Asselborn: „Das wird Konsequenzen haben, das ist deutlich“, sagte er. „Man kann die Freizügigkeit nicht verramschen.“ Die italienische Ressortchefin Emma Bonino beklagte: „Die Auswirkung ist eher beunruhigend.“

Mehrere Außenminister und die EU-Kommission machten in Brüssel deutlich, dass mit dem Ausgang der Volksabstimmung nicht direkt Verträge zwischen der Schweiz und der Europäischen Union wackeln. „Der Ball ist jetzt im Feld der Schweiz“, sagte Kommissionssprecherin Pia Ahrenkilde. „Es ist Sache der Schweiz, welche Konsequenzen sie spezifisch aus diesem Votum zieht.“ Die Regierung in Bern muss laut Verfassung binnen drei Jahren das Anliegen umsetzen.

Der deutsche Europaabgeordnete Andreas Schwab (CDU) forderte ein Ende der vertraglichen Beziehungen zur Schweiz. Die EU müsse ihre mit dem Land geschlossenen Abkommen jetzt auf den Prüfstand stellen und gegebenenfalls kündigen, sagte Schwab am Montag in Freiburg. „Notwendig ist jetzt eine entschiedene Reaktion der EU“, forderte er.

Aktuelle Verträge mit den im Land lebenden Deutschen sind nicht betroffen

Schweizer Unternehmen fürchten nach der Volksabstimmung, keine guten Mitarbeiter aus dem Ausland zu bekommen. Angesichts der Aussicht, möglicherweise ohne Familie ins Land ziehen zu müssen, werde die Qualität der Bewerber abnehmen, sagte der Präsident des Schweizerischen Arbeitgeberverbands, Valentin Vogt, der „Neuen Zürcher Zeitung“. Gut ausgebildete Kandidaten, „die unter mehreren Angeboten auswählen können, werden das nicht mit sich machen lassen. Ich würde das übrigens auch nicht tun“, sagte Vogt. Die jetzt eintretende Unsicherheit sei sehr schädlich. „Unsicherheit ist die schlechteste Nachricht für die Wirtschaft.“

Aktuelle Verträge mit den vielen deutschen Fachkräften im Land – es leben fast 300.000 Deutsche in der Schweiz – sind nicht betroffen. Die Schweizer Regierung hat nach dem Willen des Volkes drei Jahre Zeit, eine Höchstgrenze für die Zuwanderung festzulegen. Eine tiefe innenpolitische Krise in der Schweiz halten Experten für eher unwahrscheinlich. Alle Seiten seien angesichts einer florierenden Wirtschaft an einer raschen Lösung interessiert, sagte der Politologe Lukas Golder vom Forschungsinstitut gfs.bern.

Dies sei völlig anders als 1992, als die Schweizer den Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) ablehnten. Das unerwartete Ja der Schweizer für eine Begrenzung der Zuwanderung sei auch Ausdruck eines Protests. „Es war ein Denkzettel.“

Der national-konservativen Schweizer Volkspartei (SVP) sei es in den wenigen Wochen vor der Abstimmung mit einer Verschärfung des Tons gelungen, speziell die Landbevölkerung zu mobilisieren. „Die empfundenen Probleme im Alltag waren deutlich wichtiger als abstrakte ökonomische Argumente“, sagte Golder.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sieht im Schweizer Volksentscheid kein Handlungsmodell für Deutschland. „Für die Debatte, die wir hier führen, ergibt sich aus dieser Entscheidung wenig Gemeinsamkeit“, sagte de Maiziére am Montag bei einer Veranstaltung zu den Themen Integration im Innenministerium in Berlin.