In Hamburg startet der Prozess gegen einen Mann, der in Pakistan für Terroristen gekämpft haben soll

Hamburg. Am 3.März 2009 hält Sulaiman S. das Reiseticket in der Hand. In Frankfurt steigt er mit seinem Bruder und zwei weiteren Personen in das Flugzeug nach Doha im Emirat Katar. Von dort aus fliegen sie weiter in den Nordwesten Pakistans. Waziristan heißt die Region an der Grenze zu Afghanistan. Es ist ein bekanntes Rückzugsgebiet von al-Qaida und anderen Terrorgruppen. Sulaiman S., damals Anfang 20, in Hamburg groß geworden, zieht in den „Heiligen Krieg“.

Am Mittwoch saß Sulaiman S. im Saal 288 des Hamburger Oberlandesgerichts. Der Generalstaatsanwalt wirft ihm vor, sich an der militanten Vereinigung Islamische Bewegung Usbekistan (IBU) und beim Terrornetz al-Qaida beteiligt zu haben. Ihm droht eine Haft bis zu zehn Jahren. Immer wieder ziehen vor allem junge Männer nach Pakistan und schließen sich militanten Gruppen an. Einige von ihnen kehren schnell zurück, manche holen ihre Familien nach, einige sterben in Gefechten.

Wie radikalisieren sich junge Muslime? Am ersten Verhandlungstag in Hamburg berichtet ein Kriminalbeamter über die Reisegruppe von Sulaiman S.; es werden Vernehmungen von derzeit inhaftierten Dschihadisten zitiert. Die Sicherheitsbehörden hatten außerdem Telefonate von S. aus Pakistan mit seiner Familie in Hamburg mitgehört. Aus diesen Quellen ergibt sich bisher das Bild, dass der junge Mann nicht Kopf der Hamburger Gruppe gewesen ist. Und dennoch sagen die Vernehmungen im Prozess viel über die Wege junger Männer in den Dschihad aus.

Sulaiman S. kam mit seiner Familie nach Deutschland, als er drei Jahre alt war. Irgendwann in den Jahren der Pubertät verlor S. den Anschluss an die Gesellschaft. Erst kamen Probleme in der Schule, er hatte Depressionen. Dann suchte er Zuflucht in Drogen. Der ältere Bruder aber hatte andere Pläne für ihn. In den Monaten vor 2009 hatte der Bruder in der Taiba-Moschee in St. Georg einen Kontaktmann der IBU kennengelernt. „Die Gruppe hatte sich in der Taiba-Moschee konspirativ verhalten“, schreibt der Verfassungsschutz. In der Wohnung der Brüder S. soll die Gruppe ihre Ausreise geplant haben, dabei sei auch vom Dschihad die Rede gewesen. Teilnehmer der Gruppe berichten in Polizeivernehmungen, Sulaiman S. sei anfangs nicht Teil der Pläne gewesen, er soll sich sogar gewehrt haben - wegen der Eltern. Doch dann habe ihn sein Bruder überredet. Der war 2012 zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. Er galt als wichtiger Verbindungsmann von al-Qaida in Europa.

Wie sehr Sulaiman selbst in den Kampf ziehen wollte, müssen die kommenden Verhandlungstage zeigen. In Pakistan sollen S. und die anderen in einer „Dschihad-Schule“ gelebt haben. Sulaiman S. bestritt dies gestern. Laut Anklage soll er in dem Camp eine Woche an einer Kalaschnikow ausgebildet worden sein. Später reiste der Vater seinen Söhnen hinterher. Er soll versucht haben, Sulaiman S. zur Rückkehr nach Hamburg zu bewegen. Doch der lehnte ab. „Ich sah nur, wie der Vater heulend das Camp verließ“, soll einer der Teilnehmer der Gruppe zu Protokoll gegeben haben. Es dauerte noch weitere Monate, bis Sulaiman S. über Afghanistan zurück nach Hamburg flog.