Streit zwischen Demokraten und Republikanern dürfte bald wieder aufflackern

Washington. Nach der Abstimmung gab sich Amerikas Präsident Barack Obama moderat. Er versagte sich am Mittwochabend jeden triumphierenden Unterton, obwohl er sich auf nahezu ganzer Linie gegen die Republikaner durchgesetzt hatte. „Ich habe das schon zuvor gesagt, und ich sage es wieder“, sagte er zwischen den Abstimmungen in den beiden Kongresskammern im Weißen Haus. „Ich bin bereit, mit jedem zusammenzuarbeiten, ich will mit jedem zusammenarbeiten – Demokraten oder Republikaner, Mitglieder des Hauses oder des Senats – bei jeder Idee, die unsere Wirtschaft wachsen lässt, neue Arbeitsplätze schafft, die Mittelklasse stärkt und unsere Finanzen langfristig in Ordnung bringt.“

Obama unterzeichnete gegen Mitternacht das Gesetz, das den Government Shutdown ab sofort bis zum 15. Januar suspendiert und die Schuldenobergrenze bis zum 7. Februar anhebt. Die Republikaner wollten mit dem Shutdown ursprünglich erzwingen, dass die Gesundheitsreform des Präsidenten zumindest um ein Jahr verschoben wird. Davon blieb am Ende nur übrig, dass die Gesundheitsministerin ein Verfahren einführen muss, um die Gehaltsangaben von Bürgern zu überprüfen, die staatliche Zuschüsse zu ihrer Krankenversicherung beantragen.

Die republikanische Kraftmeierei war der absurde Versuch, ein bereits 2012 vom Supreme Court als verfassungsgemäß testiertes Gesetz durch das Haushaltsrecht auszuhebeln. John McCain, der republikanische Präsidentschaftskandidat des Jahres 2008, hatte in den vergangenen Tagen seine Partei immer wieder davor gewarnt, „Obamacare“ mit Etatverhandlungen zu verbinden. Das sei „eines der beschämendsten Kapitel, die ich in meinen Jahren als Senator gesehen habe“, schimpfte er. John Boehner, der Sprecher des Repräsentantenhauses, sagte, man habe verloren, aber einen „guten Kampf“ geführt.

Obama zeigte in den entscheidenden Tagen ein Standvermögen, das er zuvor etwa in der Außenpolitik nicht immer überzeugend zu demonstrieren wusste. Trotzdem hat der Politikstillstand der vergangenen Wochen nach Umfragen auch den Präsidenten und seine demokratische Partei beschädigt. Aber die Republikaner sind in einem Feld von Geschlagenen die größten Verlierer. Obama mag darauf hoffen, dass die Republikaner bei den Midterm Elections in einem Jahr auch die Mehrheit im Repräsentantenhaus verlieren.

Boehner wurde in seiner Fraktion zwar mit stehenden Ovationen gefeiert. Aber am Tag zuvor war er mit seinem Plan gescheitert, eine eigene Vorlage ins Plenum einzubringen, nach der Shutdown und Zahlungsunfähigkeit ausgeräumt und noch etwas weiter gehende Änderungen bei „Obamacare“ vorgenommen werden sollten. Der konservative Flügel seiner Partei folgte ihm jedoch nicht. Seine mangelnde Durchsetzungskraft gegenüber diesem Tea-Party-Flügel beschädigt ihn.

Zu befürchten bleibt, dass sich die Grabenkämpfe im Dezember, Januar und Februar wiederholen. Dafür spricht, dass die Republikaner noch einen Joker in der Hand haben, nämlich die Sequestration. Dabei handelt es sich um jene Haushaltskürzung von rund 85 Milliarden Dollar, die in einheitlicher Größenordnung alle Ministerien, Etats und Einzelpositionen beschneidet. Sie war zu Jahresbeginn in einer früheren Runde des Haushaltsstreits beschlossen worden. Der Sequester wird im Januar 2014 und danach bis 2021 regelmäßig zu weiteren unflexiblen Kürzungen führen. Aber werden die Republikaner nochmals alles auf eine Karte setzen? Dies schien alles kein Thema mehr zu sein. Nur einer der Abgeordneten war am späten Abend, knapp zwei Stunden vor dem drohenden Beginn der Zahlungsunfähigkeit der USA, noch zum Kampf bereit. „Wachsende Schulden schwächen uns zu Hause und international“, schimpfte der Republikaner Ted Poe in seinem Statement im Repräsentantenhaus vor der Abstimmung.

Er sagte, Washington bürde die Last seiner schlechten Entscheidungen „heute unseren Kindern und Kindeskindern auf. Amerika hat ein Schuldenproblem und ein Versagen in der Führung. Amerika hat Besseres verdient.“ Dann wies Poe darauf hin, dass er soeben Senator Obama zitiert hatte, der 2006 seine Rede zur Anhebung des Schuldenlimits unter Präsident George W. Bush mit dem Hinweis beendete, er werde „gegen diese Maßnahme zur Erhöhung von Amerikas Verschuldung stimmen“.

Während der Abstimmung im Repräsentantenhaus sorgte eine Stenografin der Kongresskammer für Aufregung. Statt Wortbeiträge der Abgeordneten mitzuschreiben, trat die Frau selbst ans Mikrofon und überzog die versammelten Politiker mit einer bizarren Tirade. „Die größte Täuschung hier ist, dass das keine gottesfürchtige Nation ist. Nie war es das“, schrie sie. Die Verfassung der Vereinigten Staaten sei von Freimaurern geschrieben worden.

„Man kann nicht zwei Herren dienen. Gelobt sei Gott, gelobt sei Jesus Christus“, fuhr die Frau fort. Hinter ihr klopfte die Vorsitzende Abgeordnete Ileana Ros-Lehtinen verzweifelt mit dem Hammer auf ihr Pult, um Ruhe herzustellen. Schließlich zerrten Wachen die Stenografin vom Mikrofon und eskortierten sie aus dem Saal. Der Abgeordnete Gerry Connolly sagte der „Washington Post“, die Stenografin sei im Repräsentantenhaus gut bekannt und werde sehr geschätzt. „Ich denke, es gibt jede Menge Sympathien, aber irgendetwas muss hier sicher vorgefallen sein“, beschrieb Connolly die Reaktion im Parlament. Die Frau wurde zunächst von der Polizei befragt und dann zur Untersuchung in eine Klinik gebracht.

Nach der Einigung zwischen Republikanern und Demokraten sind am Donnerstag Hunderttausende Regierungsangestellte wieder an ihre Arbeitsplätze zurückgekehrt. Sie waren am 1. Oktober wegen des Shutdowns, in den Zwangsurlaub geschickt worden. Die Schließung von nicht existenziellen Teilen der US-Verwaltung, darunter etwa Nationalparks und die Raumfahrtbehörde Nasa, sowie die drohende Zahlungsunfähigkeit fügten den USA nach Schätzung der Ratingagentur Standard & Poor’s einen wirtschaftlichen Schaden von 24 Milliarden Dollar (knapp 18 Milliarden Euro) zu.