Abdul Rassul Sayyaf ist wohl der kontroverseste Kandidat im Rennen. Im Ausland hat der 67 Jahre alte Kriegsfürst einen denkbar schlechten Ruf, denn er war ein Freund Osama Bin Ladens, ein Terroristentrainer und Kriegsverbrecher. Doch in der Region genießt der Kleriker durch seine Reputation als hoher islamischer Geistlicher und nicht zuletzt durch seine Vergangenheit als Mudschaheddin-Kommandeur hohes Ansehen.

Der strenge Salafist hat in Ägypten studiert und dann in seiner afghanischen Heimat ruhmreich gegen die Sowjets gekämpft. In den 80er- und 90er-Jahren betrieb er Camps in Afrika und Asien und drillte dort Hunderte von Terroristen (die philippinische Terrorgruppe Abu Sayyaf hat sich gar nach ihm benannt). Sayyaf gilt als derjenige, der Bin Laden und dessen al-Qaida 1996 nach Afghanistan holte. Und vor allem soll der Prediger mit dem weiß gelockten Bart der Mentor von Khalid Sheikh Mohammed sein, dem Drahtzieher der Anschläge vom 11. September 2001.

Trotzdem war Sayyaf ein erklärter Feind der Taliban und schlug sich bei der US-geführten Invasion Afghanistans auf die Seite der Amerikaner. Bis zu seinem Rücktritt in dieser Woche war er Mitglied des afghanischen Parlaments. Dort machte er unter anderem Furore, weil er sich – nicht ganz uneigennützig – für ein Amnestiegesetz für Kriegsverbrecher starkgemacht hat.

Einer seiner Kandidaten für das Vizepräsidentenamt ist der mächtige Tadschike Ismail Khan, der „Emir“ von Herat, der die Mudschaheddin wieder bewaffnen und gegen die Taliban ins Feld schicken will. Sayyaf wäre ein Rückfall in die Vergangenheit. Vor allem viele Fortschritte bei den Frauenrechten dürften unter ihm rückgängig gemacht werden.