Vor allem dank der Fracking-Technologie hat Amerika Russland als Nummer eins bei Produktion von Öl und Gas abgelöst

Washington. Die Schiefergas-Revolution hat die USA zum größten Energieproduzenten der Welt gemacht. In diesem Jahr dürften die Nordamerikaner mithilfe der sogenannten Fracking-Bohrtechnik erstmals seit zehn Jahren mehr Öl und Erdgas aus dem Boden geholt haben, als der bisherige Weltmarktführer Russland, berichtet das „Wall Street Journal“. Die US-Wirtschaftszeitung beruft sich auf Angaben der US Energy Information Administration (EIA) und der Internationalen Energieagentur. „Es beginnt eine neue Ära des Denkens über Marktbedingungen und Möglichkeiten, an die man früher nicht in einer Million Jahre geglaubt hätte“, sagte der Chef der US-Energiebehörde, Adam Sieminski, dem Blatt.

Die Fracking-Technologie ermöglicht es, mithilfe von hohem Wasserdruck unterirdische Schiefergesteinsschichten aufzusprengen, sodass das dort gebundene Gas und Öl freigesetzt und gefördert werden kann. Zusammen mit der Technik des horizontalen Bohrens konnten US-Förderunternehmen so gewaltige Lagerstätten neu erschließen. Damit konnten im Juli dieses Jahres erstmals mehr als 22 Millionen Barrel (Fass mit 159 Litern) Öl-Äquivalente pro Tag gefördert werden. Genaue Vergleichszahlen aus Russland gibt es zwar nicht. Allerdings hatte die russische Regierung für dieses Jahr eine Öl- und Gasproduktion von 21,8 Millionen Barrel pro Tag prognostiziert. Bestätigt sich diese Prognose, würde Russland auf der Liste der größten Energieproduzenten der Welt von Platz eins verdrängt.

Dank des Schiefergas-Booms konnten die USA in den vergangenen fünf Jahren bereits ihre Erdgas-Importe um 32 Prozent verringern. Die Ölimporte wurden um 15 Prozent gedrosselt. Marktbeobachter erwarten, dass die USA zum Selbstversorger werden könnten und ihre politische Abhängigkeit etwa vom Nahen Osten und insbesondere Saudi-Arabien als dem größten Ölproduzenten der Welt dramatisch verringern könnten. Experten glauben nicht an eine Aufholjagd Russlands: „Aus unserer Sicht ist es unwahrscheinlich, dass die russische Ölproduktion auf mittlere Sicht wieder steigt“, sagte Peter Jackson vom Analyse- und Beratungsunternehmen IHS Cera. „Im Gegenteil glauben wir eher an eine weiter fallende russische Ölproduktion, weil zu wenig in die Exploration neuer Förderstätten und in die neuen Fördertechniken investiert wurde.“

Die Wandlung der USA zum Selbstversorger und perspektivisch sogar Exporteur von Brennstoffen wird die Märkte verändern, sagte Jackson: „Die globalen Handelsströme werden ihre Richtung umkehren: Von West nach Ost – nach China zum Beispiel.“ Das Kartell Öl exportierender Staaten, Opec, der bislang wichtigster Lieferant der USA war, werde seinen Fokus nun stattdessen auf Asien richten müssen.

„Die US-Energierevolution hat dramatische Auswirkungen auf die Wirtschaft der USA“ und führe bereits zu neuen Arbeitsplätzen und höheren Steuereinnahmen des Staates. Auch mit Blick auf die anhaltende Haushaltsblockade im Senat sagte Jackson: „Die Energierevolution kommt zu einem großartigen Zeitpunkt für die USA, und wir glauben, dass sich diese Revolution langfristig auch auf andere Teile der Welt ausdehnen kann.“ Die Förderung von billigem Schiefergas hat in den USA bereits dazu geführt, dass Gaskraftwerke in großem Stil Kohlekraftwerke ablösen. In der Folge sind auch die Preise für Importkohle in Europa erheblich gesunken.

Dies hat dazu beigetragen, dass im Zuge der Energiewende in Deutschland immer stärker Kohlekraftwerke eingesetzt werden, während Gaskraftwerke, die noch mit vergleichsweise teurem russischen Erdgas befeuert werden, aus dem Markt gedrängt werden. Während die USA dank des Schiefergas-Booms deutlich weniger Kohlendioxid emittieren und ihre Klimaschutzziele erreichen, verschlechtert sich die Klimaschutzbilanz in Deutschland durch steigende CO2-Emissionen.

Bei der Fördertechnik des Hydraulic Fracturing oder „Fracking“ sind Umweltbelastungen nicht auszuschließen. Die tiefen Gesteinsschichten werden mit Wasser aufgesprengt, das zu einem geringen Teil mit Chemikalien, zum Beispiel Antioxidationsmittel, versetzt ist. Zudem kann das an die Oberfläche steigende Förderstättenwasser giftige Schwermetalle und radioaktive Stoffe enthalten, die gefiltert und wieder unterirdisch entsorgt werden müssen. In den USA ist radonhaltiges Förderstättenwasser auch schon in Flüsse gelangt.

Aufgrund der unklaren Umweltauswirkungen will das Bundesumweltministerium in Deutschland kein Fracking in Trinkwasserschutzgebieten zulassen. Bislang wurden in Deutschland zwölf Fracking-Lizenzen zur Förderung von Schiefergas vergeben, zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Niedersachsen und Thüringen. Da die Bundesregierung neue Auflagen für den Einsatz der Technologie für die Zeit nach der Bundestagswahl angekündigt hat, sind die Lizenzinhaber noch nicht tätig geworden.