Nach dem Telefonat von Irans Präsident Hassan Ruhani mit US-Präsident Barack Obama wird über Motive spekuliert

Hamburg/Teheran. Die behutsame Annäherung zwischen den USA und dem Iran könnte bald erste Ergebnisse zeitigen: Nach mehr als 34 Jahren soll es nach dem Willen des iranischen Präsidenten Hassan Ruhani wieder direkte Flüge in die USA geben. Ruhanis Berater Akbar Torkan berichtete nach Meldung der Nachrichtenagentur ISNA, Exil-Iraner hätten den Präsidenten gebeten, sich für die Einrichtung direkter Flugverbindungen zwischen Iran und Amerika einzusetzen. Das wolle Ruhani nun versuchen zu realisieren.

In den USA leben Millionen Iraner, die nach der Revolution 1979 ausgewandert sind. Viele von ihnen haben in der Zwischenzeit auch die amerikanische Staatsbürgerschaft. Die meisten leben in Los Angeles, daher wird die kalifornische Stadt auch „Tehrangeles“ genannt. Vor der Revolution 1979 gab es Direktflüge der Iran Air nach New York.

Am Freitag hatte es nach mehr als drei Jahrzehnten diplomatischer Eiszeit einen überraschenden Telefonkontakt zwischen Ruhani und US-Präsident Barack Obama gegeben. Auch die Außenminister beider Länder trafen sich am Rande der UN-Vollversammlung in New York. Eine Verbesserung der Beziehungen zu den USA ist eines der Hauptziele der Ruhani-Regierung. Die Frage, die viele Politiker im Westen seitdem bewegt, ist jedoch, ob Ruhanis Worten zu trauen ist.

US-Außenminister John Kerry hält eine baldige Lösung im Atomstreit mit dem Iran für möglich. Wenn Teheran bestimmte Bedingungen erfülle, sei eine Einigung bereits früher möglich als von Ruhani angestrebt, sagte Kerry dem US-Sender CBS. Sollte der Iran beispielsweise seine Atomanlage in Fordo für Inspektionen öffnen und die Herstellung von hochangereichertem Uran stoppen, könnten sich die Beziehungen zwischen Washington und Teheran „dramatisch“ und „schnell“ zum Besseren wenden.

Ruhani hatte kürzlich angekündigt, in drei bis sechs Monaten eine diplomatische Lösung des seit Jahren andauernden Atomstreits mit dem Westen zu erzielen. Der Westen und Israel verdächtigen den Iran, an der Entwicklung von Atomwaffen zu arbeiten. Teheran bestreitet dies und beharrt auf dem Recht zur zivilen Nutzung der Atomenergie. Im Zentrum des Streits steht die Urananreicherung, die der Iran teilweise in stark verbunkerten unterirdischen Anlagen forciert. Das Recht auf Urananreicherung sei unwiderruflich, aber über alles andere könne man verhandeln, sagte der stellvertretende iranische Atomchefunterhändler Abbas Araghchi. „Solange unser Recht auf Urananreicherung nicht aberkannt wird, können wir über Anreicherungsgrad, Quantität und Ort verhandeln.“

Das neue iranische Atomteam unter Leitung von Außenminister Mohammed Dschawad Sarif beharrt auf ein ziviles Atomprogramm einschließlich der Urananreicherung. Falls dieses Recht vom Westen anerkannt wird, sei der Iran bereit, sein niedrig angereichertes Uran von 3,5 bis 5,0 Prozent im Ausland entweder höher anzureichern oder zu Brennstäben verarbeiten zu lassen. Das soll auch eines der Hauptthemen bei den nächsten Atomverhandlungen mit den fünf UN-Vetomächten plus Deutschland in Genf sein.

Ruhani selbst versicherte vor seinem Abflug aus New York am Freitag, dass seine Regierung in drei Wochen einen Plan zur Lösung des Konflikts vorlegen werde. „Ich will, dass dieser Besuch ein erster Schritt und ein Anfang für bessere und konstruktive Beziehungen mit Ländern der Welt ebenso ist wie ein erster Schritt für eine bessere Beziehung zwischen den beiden große Nationen des Irans und der Vereinigten Staaten von Amerika“, sagte Ruhani, der zur Teilnahme an der Generaldebatte der UN-Vollversammlung angereist war.

Bis es so weit ist, wird Obamas außenpolitisches Team nach Zeichen Ausschau halten, die zeigen, dass Ruhani wirklich einen Kurs betreibt, der auf einer „veränderten Kalkulation“ beruht, wie es ein US-Regierungsbeamter formulierte. Gemeint ist damit die Frage, ob Teheran nun zu dem Schluss kommt, dass es sich angesichts der schweren wirtschaftlichen Auswirkungen der internationalen Sanktionen schlicht nicht lohnt, den USA und anderen Ländern im Atomstreit die Stirn zu bieten.

„Die große Frage ist, ob die Iraner es jetzt auf die Reihe kriegen, die sehr schmerzlichen politischen Zugeständnisse zu machen, die zur Entlastung von den Sanktionen nötig sind“, sagt Ex-Diplomat Nicholas Burns, früherer US-Chefunterhändler bei den Atomgesprächen mit dem Iran. Ruhani betont, dass der oberste Führer des Irans, Ajatollah Ali Chamenei, seiner Regierung die Befugnis gegeben habe, über ein Ende der mehr als drei Jahrzehnte langen Eiszeit zwischen Iran und den USA – der treibenden Kraft hinter den internationalen Sanktionen – zu verhandeln.

Kurz vor einem Treffen mit Obama in Washington warnte Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu davor, Ruhanis Worten zu vertrauen. Israels ehemaliger Außenminister Avigdor Lieberman drohte im Atomstreit mit dem Iran sogar indirekt mit einem Militärschlag. „Es ist gut, daran zu erinnern, dass Israel auch im Fall des irakischen Atomreaktors Anfang der 80er-Jahre das einzige Land war, das gewarnt hat und aktiv geworden ist“, schrieb Lieberman auf seiner Facebook-Seite. „Und rückblickend wurde klar, dass wir recht hatten“.

Israelische Kampfjets hatten 1981 den einzigen irakischen Atomreaktor „Osirak“ südöstlich von Bagdad zerbombt. Lieberman sagte, Israel sei heute auch nicht bereit, Täuschungsmanövern des Iran Glauben zu schenken. Hassan Ruhani gebe sich versöhnlich und gemäßigt. Die Iraner versuchten jedoch schon seit Jahren, mit Tricks und Täuschungen von ihrem Atomprogramm abzulenken. Teherans Hauptziel sei weiter, eine Atombombe zu bauen, die den Weltfrieden bedrohe, schrieb Lieberman. „Die Versöhnungsattacke von Ruhani ist nur ein weiteres Täuschungsmanöver, so wie es damals Nordkorea gemacht hat.“