„I Have a Dream“ (Ich habe einen Traum) – diese Worte des schwarzen US-Bürgerrechtlers Martin Luther King gingen vor 50 Jahren um die Welt. Beinahe wären sie aber gar nicht gefallen, als King am 28. August 1963 beim Marsch auf Washington seine legendäre Rede hielt. Ein Berater riet dem Prediger davon ab, den heute historischen Satz zu benutzen – er fand ihn abgedroschen. Am Mittwoch gedenken die USA bei einer offiziellen Feier mit Präsident Barack Obama dem 50. Jahrestag der Rede.

King hatte die Formulierung „I Have a Dream“ bereits mehrfach verwendet, etwa bei einem Gottesdienst in Detroit zwei Monate zuvor. In dem Manuskript, das der Prediger in der Nacht vor der Großdemonstration in der US-Hauptstadt fertigstellte, fehlte der Ausspruch. Doch als der Bürgerrechtler vor 250.000 Menschen am Lincoln Memorial in Washington den Redetext nach einigen Minuten zur Seite legte und frei weitersprach, griff er auf die Traum-Passage zurück.

Einige Jahre später erzählte King dem Doktoranden Donald Smith, der über die Rhetorik des Baptistenpredigers promovierte, dass er sich „urplötzlich“ für den Satz entschieden habe. „Ich habe einfach gefühlt, dass ich ihn benutzen wollte“, sagte er. „Ich weiß nicht warum. Ich hatte vor der Rede nicht daran gedacht.“ Möglicherweise inspirierte ihn auch der Zwischenruf der Gospelsängerin Mahalia Jackson, die forderte: „Erzähl ihnen von dem Traum, Martin.“ Und Martin Luther King ließ sich nicht lange bitten. Auszüge aus seiner legendären Rede:

„Ich freue mich, dass ich mich diesem heutigen Ereignis anschließen kann, das (...) als größte Demonstration für Freiheit in der Geschichte unserer Nation vermerkt werden wird. (…)

Es ist jetzt die Zeit, sich aus dem dunklen und trostlosen Tal der Rassentrennung zum sonnenbestrahlten Pfad der Rassengerechtigkeit zu erheben. Es ist jetzt die Zeit, unsere Nation von den Treibsänden der rassistischen Ungerechtigkeit zum festen Felsen der Gemeinschaft aller Menschen zu erhöhen. (…)

Vor einem Jahrhundert unterschrieb ein berühmter Amerikaner, in dessen symbolischen Schatten wir heute stehen, die Freiheitserklärung. Dieser bedeutungsvolle Erlass kam als heller Leitstern der Hoffnung zu Millionen von Negersklaven, die in den Flammen der vernichtenden Ungerechtigkeit versengt wurden. Er kam als ein freudiger Tagesanbruch am Ende der langen Nacht ihrer Gefangenschaft.

Aber einhundert Jahre später ist der Neger immer noch nicht frei. Einhundert Jahre später ist das Leben des Negers leider immer noch von den Handfesseln der Rassentrennung und den Ketten der Diskriminierung eingeschränkt. Einhundert Jahre später lebt der Neger immer noch auf einer einsamen Insel der Armut in der Mitte eines weiten, weiten Ozeans des materiellen Wohlstandes. (…)

Als die Architekten unserer Republik die grandiosen Worte der Verfassung und der Unabhängigkeitserklärung schrieben, unterzeichneten sie einen Schuldschein, dessen Erbe jeder Amerikaner sein sollte. Dieser Schuldschein war ein Versprechen, dass allen Menschen, schwarzen wie auch weißen, die unveräußerlichen Rechte von Leben, Freiheit und dem Streben nach Glück garantiert.

Es ist heute offensichtlich, dass Amerika diesem Schuldschein nicht eingelöst hat und zwar in Hinsicht auf seine farbigen Bürger. Amerika, anstatt diese heilige Verpflichtung zu erfüllen, hat den Negern einen ungedeckten Scheck gegeben, einen Scheck, der mit dem Stempel „nicht gedeckt“ zurückgekommen ist. Wir weigern uns aber zu glauben, dass die Bank der Gerechtigkeit bankrott ist. Wir weigern uns, zu glauben, dass es eine ungenügende Deckung in den großen Tresorräumen der Gerechtigkeit dieser Nation gibt. Wir sind daher hierher gekommen, um diesen Scheck einzulösen, einen Scheck, der uns auf Verlangen die Reichtümer der Freiheit und die Sicherheit auf Gerechtigkeit gewähren wird. (…)

1963 ist kein Ende sondern ein Anfang. Diejenigen, die hoffen, dass der Neger nur Dampf ablassen muss und jetzt zufrieden sein wird, werden ein böses Erwachen haben, sollte die Nation zu seinen alten Methoden zurückkehren. Es wird weder Ruhe noch Frieden in Amerika geben, bis dem Neger seine Bürgerrechte gegeben werden. Die Wirbelstürme der Revolte werden weiterhin das Fundament unserer Nation schütteln, bis der helle Tag der Gerechtigkeit erscheint. (…)

Deswegen sage ich Ihnen, meine Freunde, dass ich immer noch einen Traum habe (...). Es ist ein Traum, der seine Wurzel tief im amerikanischen Traum hat, dass sich diese Nation eines Tages erheben wird und der wahren Bedeutung seines Glaubensbekenntnisses, (...) dass alle Menschen gleich geschaffen sind, gerecht wird.

Ich habe einen Traum, dass eines Tages die Söhne von früheren Sklaven und die Söhne von früheren Sklavenbesitzern auf den roten Hügeln von Georgia sich am Tisch der Bruderschaft gemeinsam niedersetzen können. Ich habe einen Traum, dass eines Tages selbst der Staat Mississippi (...) zu einer Oase der Freiheit und Gerechtigkeit transformiert wird. Ich habe einen Traum, dass meine vier kleinen Kinder eines Tages in einer Nation leben werden, in der sie nicht wegen der Farbe ihrer Haut, sondern nach dem Wesen ihres Charakters beurteilt werden.

Wenn dies geschieht, und wenn wir erlauben, dass die Glocken der Freiheit läuten und wenn wir sie von jedem Dorf und jedem Weiler, von jedem Staat und jeder Stadt läuten lassen, werden wir diesen Tag schneller erleben, wenn alle Kinder Gottes, schwarzer Mann und weißer Mann, Juden und Christen, Protestanten und Katholiken Hände halten können und die Worte des alten Neger-Spirituals ‚Endlich frei, endlich frei. Danke Gott, Allmächtiger, endlich frei‘ singen.“