Badeurlaub am Roten Meer, Kreuzfahrten auf dem Nil und Besuche in Oberägypten seien aber weiterhin gefahrlos möglich, sagen Veranstalter.

Nach dem Machtwechsel und den schweren Auseinandersetzungen mit Toten und Verletzten sorgen sich viele Reisende, ob und wo sie in Ägypten noch Urlaub machen können. Das Abendblatt sprach mit verschiedenen Experten und gibt Antworten auf die drängendsten Fragen.

Wie gefährlich ist es, jetzt nach Ägypten zu reisen?

Das Auswärtige Amt hatte zunächst nur dazu aufgefordert, nicht notwendige Reisen nach Kairo und Alexandria zu vermeiden. Am Wochenende wurde aus diesem Sicherheitshinweis aufgrund der politischen Spannungen jedoch eine Teilreisewarnung: „Von Reisen nach Ägypten wird in der aktuellen Lage vor dem Hintergrund der sehr volatilen Sicherheitslage dringend abgeraten.“ Nicht besuchen sollten Touristen demnach das Nildelta, die Sinai-Halbinsel (mit Ausnahme der Touristenorte am Roten Meer im Küstenstreifen zwischen Scharm al-Scheich und Nuwaiba) sowie das ägyptisch-libysche Grenzgebiet. Ausgenommen von der Reisewarnung seien die Touristengebiete am Roten Meer und die Touristenzentren in Oberägypten (Luxor, Assuan, Nilkreuzfahrten). Der Transit über den Internationalen Flughafen Kairo sei weiterhin möglich; der Flughafen funktioniere normal und sei gut gesichert.

Diese Einschätzung teilen Veranstalter und Experten. Tobias Pusch, Ägypten-Spezialist vom „fvw“, dem Magazin für Touristik und Business Travel, sagt: „Ich fliege selbst diese Woche nach Soma Bay und habe damit keinerlei Bauchschmerzen. Ägypten ist ein unruhiges Land, aber in den Touristengebieten bekommt man von den Unruhen überhaupt nichts mit. Dafür müsste man schon bewusst den Fernseher anschalten. Ansonsten herrscht ganz normale Ferienstimmung.“ Pusch beschreibt die derzeitige Lage mit einem Vergleich:„Wenn am 1. Mai in Berlin die Barrikaden brennen, kann ich auf Sylt noch wunderbar Ferien machen.“

Ursula Reinert, Geschäftsführerin des auf Ägyptenreisen spezialisierten Anbieters OFT, sagt: „Selbstverständlich kann man nach Ägypten reisen. Es hat zu keiner Sekunde ein Problem am Roten Meer, in Luxor und Assuan und bei den Kreuzfahrten auf dem Nil und Nassersee gegeben. Wir haben Kunden, die gerade ihre gebuchte Nilkreuzfahrt begonnen haben.“

Ähnlich die Einschätzung von Anja Braun, Sprecherin von TUI Deutschland: „In den Baderegionen ist es absolut ungefährlich, wir sind ständig in Kontakt mit unseren Reiseleitern, die das bestätigen. Die Stimmung unter den ca. 5000 Gästen, die wir derzeit dort haben, ist gut. Auch unsere Nilkreuzfahrten finden statt. Anders sieht es in Kairo aus. Wir haben alle Neubuchungen für Kairo gestoppt und bitten Gäste, die bereits gebucht haben, ihre Reiseabsichten zu überdenken. Die Pyramiden und Königspaläste können derzeit nicht besichtigt werden.“

Welche Auswirkungen haben die Unruhen auf die Besucherzahlen?

Zurzeit befinden sich Tausende Deutsche vor Ort. Sie halten sich vor allem in den als sicher geltenden Regionen am Roten Meer und in Oberägypten auf. Viele Reisebüros sprechen von einer derzeit recht verhaltenen Nachfrage nach Reisen in das Land; die Veranstalter haben unterschiedliche Eindrücke. „Wir erhielten nur wenige Anfragen von gebuchten Gästen. Wenn angerufen wurde, dann nur, um zu fragen, ob wir die Reise planmäßig durchführen, oder es wurden allgemeine Informationen zur Lage eingeholt. Von Gästen vor Ort gab es zu keinem Zeitpunkt den Wunsch nach einer früheren Rückreise. Einige Gäste haben in den letzten Tagen sogar nach einer Verlängerungsmöglichkeit gefragt“, sagt Ursula Reinert.

Allgemein hatte der Arabische Frühling jedoch sehr negative Auswirkungen auf die Buchungszahlen. „Infolgedessen ging die Zahl der deutschen Besucher von knapp 1,4 Millionen im Jahr 2010 auf rund 965.000 im Jahr 2011 zurück. Im Jahr 2012 erholte sich der Tourismus wieder deutlich“, sagt Sibylle Zeuch, Sprecherin des Deutschen Reiseverbandes (DRV). Anja Braun von TUI: „Nach dem Arabischen Frühling sind die Besucherzahlen eingebrochen. Aber seitdem gab es eine stetige Aufwärtsentwicklung. Auch jetzt liegen die aktuellen Buchungszahlen höher als im Vorjahr.“

Der Sprecher von Studiosus, Frano Ilic, sagt: „Die Nachfrage, zumindest was Kulturreisen nach Kairo und ins Niltal angeht, ist seit dem Arabischen Frühling eingebrochen. Wir hatten rund 3000 Gäste im Jahr 2010, im Jahr 2012 waren es noch 400. 2013 werden es noch weniger sein.“

Wie groß ist die Anschlagsgefahr in den Urlaubsgebieten?

Der Vorsitzende des Tourismus-Ausschusses des Bundestags, Klaus Brähmig (CDU), sagte am Donnerstag, dass er nach dem Machtwechsel Terroranschläge seitens der radikalen Mursi-Anhänger in Ägypten befürchte. Der Deutsche Reiseverband (DRV) bezeichnete die Äußerung als reine Panikmache. Ägypten-Experte Tobias Pusch sieht das ähnlich: „Die Urlaubsgebiete sind sehr gut geschützt, da kommt niemand mit bösen Absichten ohne Weiteres hinein. Überall gibt es Checkpoints und Autokontrollen. Immer wieder sieht man Panzer an der Straße. Für Anschläge auf Touristen sehe ich keine erhöhte Gefahr, denn die Terroristen würden sich damit selbst schaden. Der Tourismus ist den Ägyptern ein heiliges Gut. Mit einem Anschlag würde man jede Sympathie in der Bevölkerung verspielen.“

Sollte ich meine Reise dennoch absagen?

Anja Braun von TUI verweist auf die Geografie des Landes: „Ägypten ist ein sehr großes Land; Kairo hat nichts mit Hurghada zu tun. Die Auseinandersetzungen finden Hunderte Kilometer voneinander entfernt statt. Es wäre ungefähr so, als würde ich nicht nach Hannover reisen, weil in Basel Proteste stattfinden.“

Tobias Pusch: „Die Sorgen sind verständlich, aber wenn jetzt viele Urlauber ihre Reise absagen, tritt damit eine nicht wünschenswerte Wechselwirkung in Kraft. Je weniger Touristen kommen, desto schlechter geht es dem Land, desto schwieriger wird die allgemeine Situation.“

Unter welchen Bedingungen bekomme ich mein Geld zurück?

Einige Veranstalter bieten aus Kulanz einen kostenlosen Rücktritt von der Reise an. Frano Ilic von Studiosus: „All unsere Ägypten-Gäste haben unabhängig von den jüngsten Ereignissen ein Recht auf kostenlose Umbuchung oder Stornierung ihrer Reise. Dieses Recht räumen wir bei bestimmten Ländern ein, damit unsere Gäste ihre Reiseentscheidung frei von wirtschaftlichen Erwägungen treffen können.“

Bei TUI sieht die Sache etwas anders aus. Gästen, die Kairo oder Alexandria gebucht haben, wird eine gebührenfreie Umbuchung oder Stornierung angeboten. „Für die Baderegionen gelten jedoch die regulären Reisebedingungen. Da es dort keinerlei Risiken gibt, kann man einen Urlaub dorthin auch nicht umbuchen oder stornieren“, erklärt Braun.

Für nicht erbrachte Leistungen wie Ausflüge nach Kairo gibt es natürlich Geld zurück.

Wie wichtig ist der Tourismus für Ägypten?

Die Tourismusindustrie ist einer der wichtigsten Zweige des ägyptischen Dienstleistungssektors. Nach Angaben der ägyptischen Zentralbank steuerte der Tourismussektor 2010 rund elf Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei. Rund 12,5 Prozent aller Arbeitsplätze hingen direkt oder indirekt vom Tourismus ab. „Das Land am Nil zählt zu den wichtigsten Reiseländern der Deutschen vor allem im Winterhalbjahr“, sagt Sibylle Zeuch vom DRV. Vergangenes Jahr reisten knapp 1,2 Millionen Deutsche nach Ägypten, vorzugsweise zu den Badezielen am Roten Meer oder an den Nil, um eine Kreuzfahrt zu unternehmen. Nur aus Russland kamen mehr Urlauber. Tobias Pusch: „Die Branche zählt zu den größten Geldbringern überhaupt. Die Regierung hat die Lage in den Urlaubsgebieten daher gut im Griff und wirft bewusst ein wachsames Auge auf den Tourismus.“ Frano Ilic ergänzt: „Der Tourismus ist für Ägypten angesichts seiner wirtschaftlichen Entwicklung enorm wichtig.“