Bis zum Ende des Jahres soll das Bankgeheimnis gefallen sein. Nur Luxemburg ziert sich noch, steht damit aber allein. EU-Ratspräsident: “Es ist höchste Zeit, dass wir den Kampf verstärken.“

Brüssel. Die Dynamik ist nicht mehr aufzuhalten: Bis Ende des Jahres wollen die EU-Mitgliedsländer konkrete Beschlüsse zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung vorlegen. Die europäischen Staats- und Regierungschefs wollen über einen automatischen Austausch der Bankdaten von EU-Ausländern Ehrlichkeit alternativlos und den Austausch zum internationalen Standard machen. Schätzungen der EU-Kommission zufolge gehen den EU-Ländern pro Jahr rund eine Billion Euro verloren, weil Bürger dem Fiskus ihre Steuern vorenthalten.

Auch angesichts hoher Schulden und dem akuten Finanzbedarf wollen die Länder nicht länger auf diese Einnahmen verzichten. Nach den USA mit ihrem Steuerabkommen Fatca erhöhen damit auch die EU-Länder den Druck auf Steuerflüchtlinge. Wenngleich die Staats- und Regierungschefs beim Gipfel in Brüssel keine konkreten neuen Regeln erarbeiteten, ist die Botschaft des kurzen Treffens dennoch unmissverständlich: Das Bankengeheimnis in Europa soll für EU-Ausländer fallen, das italienische Konto eines Deutschen beispielsweise dem heimischen Finanzamt nicht mehr verborgen bleiben.

Lange waren härtere Vorschriften gegen Steuerhinterziehung von Österreich und Luxemburg blockiert worden – beide tun sich schwer damit, auf Standortvorteile wie eine anonyme Quellensteuer zu verzichten, die dem Fiskus viel Geld bringt. Der öffentliche Druck auf Wien und Luxemburg aber ist gewachsen, seit die USA den automatischen Datenaustausch über Kapitalerträge mit anderen Ländern vorantreiben. So signalisierten auch Wien und Luxemburg ihr grundsätzliches Einlenken und stellten ihre Beteiligung am Informationsaustausch in Aussicht.

Allerdings formulierte Luxemburgs Ministerpräsident Jean-Claude Juncker erneut Bedingungen für einen solchen Schritt. Er forderte in Brüssel, dass zuvor entsprechende Abkommen mit den Nicht-EU-Ländern Schweiz, Liechtenstein, Monaco, San Marino und Andorra abgeschlossen werden müssten, weil sonst Nachteile im Wettbewerb mit anderen europäischen Finanzplätzen zu befürchten seien. Luxemburg werde deshalb „vor Ende des Jahres entscheiden, ob und unter welchen Nebenbedingungen wir in den automatischen Informationsaustausch eintreten“.

Mit seiner Weigerung, einen festen Termin für die Reform der Zinsbesteuerungsrichtlinie zu akzeptieren, hat sich Luxemburg damit im Kampf gegen die Steuersünder isoliert. Denn Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann, bislang in dieser Frage stets an der Seite Junckers, erklärte, sich an den Zeitplan der anderen EU-Staaten anpassen zu wollen. Die plädieren nämlich dafür, zunächst einheitliche Regeln zum Datenaustausch innerhalb der Europäischen Union bis Ende des Jahres zu schaffen, bevor man sich mit Drittstaaten einigt – denn was man von anderen verlange, müsse man schließlich zunächst einmal selbst geloben, so die Argumentation.

„Es ist höchste Zeit, dass wir den Kampf verstärken“, bekräftigte EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy diese Haltung noch einmal. „Das hängt nicht von Drittstaaten ab, ob wir geeint sind oder nicht“, sagte auch Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) nach seinem Zusammentreffen mit den Regierungschefs. Die EU könne als „wirtschaftliche Weltmacht“ ihren Partnern durchaus zumuten, zu sagen: „Das sind unsere Bedingungen. Akzeptiert sie oder nicht.“ Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wollte keine Zweifel an ihrer Entschlossenheit aufkommen lassen: „Wenn wir die Menschen ermutigen wollen, ehrlich die Steuern zu zahlen, dann ist es wichtig, dass entschieden gegen Steuerbetrug vorgegangen wird.“

Die Abschlusserklärung der 27 EU-Mitglieder, die weitestgehend schon vor dem Gipfel abgestimmt wurde, sieht außerdem vor, legale Schlupflöcher zur Steuervermeidung zu stopfen. Frankreichs Präsident François Hollande unterstrich die Notwendigkeit, die Steuertricks der Konzerne ins Visier zu nehmen, ohne dabei Namen zu nennen. International hatte zuletzt der US-Konzern Apple mit seinen Steuersparmodellen für Aufsehen gesorgt. Amerikanische Politiker werfen dem Unternehmen vor, über irische Tochterfirmen höhere Abgaben in den USA zu umgehen.

Der britische Premierminister David Cameron will den Kampf gegen Steuerhinterziehung auch zu einem Schwerpunkt der G8-Präsidentschaft machen. Cameron hat auch die Überseegebiete seines Landes aufgefordert, stärker gegen Steuerhinterziehung vorzugehen. Es sei Zeit, das Haus in Ordnung zu bringen, schrieb Cameron in einem Brief an zehn Gebiete.

Bei dem Kurztreffen beschlossen die Regierungschefs außerdem formal, dass auch nach 2014 jedes EU-Land seinen Kommissar nach Brüssel entsenden darf, dass die Kommission also nicht verkleinert wird, wie im Vertrag von Lissabon vorgesehen. „Das Prinzip ,ein Kommissar pro Land‘ wird beibehalten, so wie es von den Mitgliedstaaten einstimmig, transparent und in vollem Respekt des Vertrages bereits 2008 vereinbart und 2009 bekräftigt worden ist“, lobte eine Sprecherin der EU-Kommission den Beschluss, der diese Vereinbarung formalisiert. „Dies ist die Antwort auf die Sorgen der irischen Bevölkerung im Kontext des damaligen Referendums.“ Die Staats- und Regierungschefs berieten auch über die hohen Energiepreise. Als Reaktion auf die schwere Wirtschaftskrise will die EU Industrie und Verbraucher mit niedrigeren Preisen unterstützen. Direkte Eingriffe in die Preispolitik sind aber nicht vorgesehen.