Gericht bestätigt vier Jahre Haft gegen Ex-Ministerpräsidenten wegen Steuerhinterziehung. Seine Partei macht Stimmung gegen Italiens Justiz

Mailand. Allein in Berufung zu gehen, reicht Silvio Berlusconi nicht. Nach seiner Verurteilung in zweiter Instanz wegen Steuerhinterziehung trommelt Italiens Ex-Premierminister seine Mitstreiter zur Protestdemo zusammen. Für Sonnabend plant seine Partei Popolo della Libertà (PDL) eine Versammlung auf dem Hauptplatz in Brescia. „Wir sagen Basta! zu Justizurteilen, die allein aus politischen Erwägungen heraus gefällt werden“, sagt PDL-Koordinator Gregorio Fontana. „Wir machen mobil gegen einen weiteren Akt der Feindseligkeit.“

Berlusconi, 76, hat seit Jahrzehnten Ärger mit der Justiz. Er fühlt sich von den „roten Roben“ verfolgt und spricht von einer Kampagne gegen seine Person. Gelang es dem Cavaliere in der Vergangenheit stets, sich einer Strafe zu entziehen, könnte es für ihn in diesem und im kommenden Jahr wirklich ernst werden. Es steht eine ganze Serie von Prozessen an. Im Mediaset-Verfahren wird Berlusconi Steuerhinterziehung in Höhe von sieben Millionen Euro vorgeworfen. Im Ruby-Verfahren, das am Montag fortgesetzt wird, geht es um angeblichen Sex mit einer Minderjährigen und Förderung der Prostitution. Parallel dazu ermittelt die Staatsanwaltschaft Neapel wegen des Kaufs von Senatorenstimmen.

Am Mittwochabend setzte es die erste schallende Ohrfeige für Berlusconi. Zum ersten Mal überhaupt verlor er einen Berufungsprozess. Richterin Alessandra Galli bestätigte im Mediaset-Prozess das Urteil der ersten Instanz vom Herbst 2012. Das bedeutet für Berlusconi vier Jahre Haft und eine Sperre für öffentliche Ämter von fünf Jahren. Sollte das oberste Gericht ebenfalls daran festhalten, wäre das Urteil rechtskräftig. Der Termin am Kassationsgericht dürfte für Ende des Jahres angesetzt werden, schätzen Beobachter. Berlusconi hat also noch sechs bis sieben Monate Schonfrist.

Dass Berlusconi hinter Gitter muss, ist jedoch höchst unwahrscheinlich. Auf Basis eines Gesetzes aus dem Jahr 2006 dürfte die Haftstrafe auf ein Jahr reduziert werden. Zudem kommen Personen, die älter als 70 Jahre sind und eine Strafe von weniger als vier Jahren verbüßen, nach italienischem Recht nicht ins Gefängnis, sondern werden unter Hausarrest gestellt.

Das Risiko für den Ex-Premier ist ein anderes: Seine politische Karriere steht auf dem Spiel. Sollte er rechtskräftig verurteilt werden, dann müsste Berlusconi seinen Sitz im italienischen Senat aufgeben. Dafür sorgt nicht nur der Richterspruch, sondern auch ein Gesetz vom November 2012. Wer verurteilt wird, darf weder kandidieren noch Parlamentarier sein.

Berlusconis Querelen mit der Justiz stellen eine Gefahr für die neue italienische Regierung dar. Ministerpräsident Enrico Letta, 46, steht seit Anfang vergangener Woche einer Großen Koalition zwischen Sozialdemokraten und der PDL vor. In beiden Lagern ist der Unmut über das Bündnis groß. Insbesondere die Basis der Sozialdemokraten rebelliert dagegen. Das Urteil gegen Berlusconi dürfte die Stimmung zusätzlich anheizen.

Die PDL macht Front gegen die Justiz, was den Sozialdemokraten nicht gefällt. Vertreter von Mitte-Links wiederum könnten versucht sein, wegen Berlusconis Problemen die Koalition zu unterwandern. Zahlreiche Abgeordnete der Sozialdemokraten liebäugeln mit der Bewegung Fünf Sterne von Komiker Beppe Grillo, der drittstärksten Kraft im Parlament. Beim Parteitag der Sozialdemokraten am Sonnabend dürfte der Richtungsstreit offen ausbrechen. Roberto D’Alimonte, Professor für Politikwissenschaften an der Universität Luiss in Rom, sagt Spannungen zwischen den Regierungspartnern voraus: „Das Urteil wird nicht dazu führen, dass die Regierung scheitert. Aber es wird ihr das Leben schwieriger machen.“

Dabei muss die Regierung Letta schwierige Themen angehen. Bei der Kabinettssitzung am Donnerstag stand die Immobiliensteuer auf der Tagesordnung. Berlusconi hatte im Wahlkampf versprochen, sie abzuschaffen und die 2012 geleisteten Beträge bar zurückzubezahlen. Doch sollte das so umgesetzt werden, würde das ein Loch in den Staatshaushalt reißen. Letta sucht nach einer Lösung, wie er das Minus für die öffentliche Hand möglichst gering hält, um nicht Ärger mit der EU zu bekommen.

Denn Brüssel pocht darauf, dass Italien die Defizitgrenze von drei Prozent einhält. Sollte die Steuer abgeschafft oder ausgesetzt werden, wäre das ein großer Erfolg für Berlusconi. Doch das hilft ihm nicht, wenn ihn die Gerichte schuldig sprechen. Ab Montag geht der Ruby-Prozess weiter. Das Urteil dürfte bald gefällt werden. Die PDL trifft Vorkehrungen. Die Partei überlegt, auch vor dem Gericht in Mailand aufzumarschieren.