Der mutmaßliche Täter ist so schwer verletzt, dass er wohl nie vernommen werden kann

Boston. Die Hintergründe des Anschlags auf den Boston-Marathon werden möglicherweise nie aufgeklärt. Der Bürgermeister der Ostküstenmetropole, Tom Menino, sagte am Sonntag, der gefasste 19-jährige Tatverdächtige werde wegen seiner schweren Verletzungen womöglich nie befragt werden können. „Wir wissen nicht, ob wir jemals in der Lage sein werden, die Person zu vernehmen“, sagte Menino im US-Sender ABC. Der aus dem Kaukasus stammende Dschochar Tsarnaev befinde sich in einem „sehr ernsten Zustand“, sagte Menino. Details nannte er nicht. Tsarnaev war in den Hals getroffen und an der Zunge verletzt worden.

Der junge Mann war bei einer beispiellosen Polizeiaktion in einem Bostoner Vorort entdeckt und festgenommen worden. Die Polizei hat auch Infrarotbilder von Tsarnaev in seinem Versteck veröffentlicht. Der kurze Film zeigt ihn wegen seiner Körperwärme als klar zu erkennenden weißen Fleck in dem grauen Boot. Mühsam bewegt er sich in dem Motorboot, das hinter einem Haus winterfest auf einem Anhänger stand. In dem Film ist zu sehen, wie sich ein gepanzertes Fahrzeug dem abgedeckten Boot nähert und mit einem Ausleger die Plane einreißt. Dann wird eine Blendgranate gezündet. Die eigentliche Festnahme ist auf den von Polizeihubschraubern aus aufgenommenen Bildern nicht zu sehen.

Noch am Sonntag sollte Anklage gegen Tsarnaev erhoben werden. Sein 26 Jahre alter Bruder Tamerlan war bei dem massiven Polizeieinsatz getötet worden. Tamerlan Tsarnaev war mit einer Frau aus der amerikanischen Mittelschicht verheiratet, deren Vater Mediziner ist. Das Paar hatte zusammen ein kleines Kind. Bei dem Anschlag auf den Boston-Marathon am vorigen Montag waren drei Menschen getötet und 176 verletzt worden. „Wir haben eine Million Fragen, und diese Fragen müssen beantwortet werden“, sagte der Gouverneur des US-Bundesstaates Massachusetts, Deval Patrick. Die Bundespolizei FBI geht davon aus, dass der ältere Tsarnaev-Bruder die führende Kraft war. Ermittlern zufolge wird allerdings untersucht, ob weitere Personen in das Attentat verwickelt sind.

Sicherheitskreise schließen einen islamistischen Hintergrund nicht aus. So wurde Tamerlan Tsarnaev bereits Anfang 2011 vom FBI befragt, nachdem russische Sicherheitsdienste ihn radikalislamischer Überzeugungen verdächtigt hatten. Das FBI erklärte allerdings, nach einer Überprüfung habe es damals keine Anhaltspunkte für „terroristische Aktivität“ gegeben.