Die ersten Folgen des US-Haushaltsstreits fallen unspektakulär aus. Langfristig sieht der Präsident Arbeitsplätze und Sicherheit gefährdet

Washington. Wer am heutigen Montag die ersten Folgen der am Freitag in Washington in Kraft gesetzten Kürzungen im US-Haushalt besichtigen möchte, muss weit reisen: Die Schneepflüge, mit denen sonst am ersten regulären Arbeitstag im März rund zwei Dutzend Saisonarbeiter die Straßen im Yellowstone-Nationalpark freiräumen, bleiben in den Depots. Weil das Park-Management im 35-Millionen-Dollar-Etat (27 Millionen Euro) wegen der "Rasenmäher"-Einschnitte 1,75 Millionen Dollar einsparen muss, öffnet die Touristenattraktion erst zwei Wochen später.

Das nimmt sich relativ harmlos aus angesichts der drastischen Warnungen des Präsidenten in der vorigen Woche: Diese "Hackebeil-Methode", so Barack Obama, "gefährdet unsere nationale Sicherheit und vernichtet Arbeitsplatzinvestitionen in Erziehung, Energie und medizinischer Forschung". Von fehlenden Grenzwächtern war die Rede, von Flugverspätungen wegen eines Mangels an Lotsen und Sicherheitspersonal und von Unterrichtsausfall an den Schulen. Doch Zwangsbeurlaubungen im öffentlichen Dienst bedürfen einer vierwöchigen Vorwarnzeit, und sie dürften den amerikanischen Alltag entsprechend verzögert verändern. Insgesamt geht es im laufenden Haushaltsjahr um Ad-hoc-Kürzungen von 85 Milliarden Dollar. In der gesamten Dekade stehen Kürzungen von 1,2 Billionen Dollar zu Buche, falls es nicht noch zur nachträglichen Einigung kommt.

Als im Streit um die Schuldenobergrenze im Sommer 2011 die Etatkürzungen für den Fall einer ausbleibenden größeren Einigung beschlossen wurden, hoffte man durch die Daumenschrauben am Verteidigungsetat, die Republikaner zum Einlenken zu bewegen. Doch am Ende war bei ihnen die Abneigung gegen die vom Präsidenten geforderten Steuererhöhungen größer als der Widerwille gegen die Pentagon-Kürzungen. "Es ist ja nicht so, dass wir sowjetische Panzer an der deutschen Grenze stehen hätten, bereit zu einem Überraschungsangriff", sagt etwa John Pike, Direktor der unabhängigen Denkfabrik Global Security. "Der Verteidigungsetat ist doppelt so groß wie er vor 9/11 war, und wir haben halb so viele Feinde."

Überhaupt ist der amerikanische Rüstungshaushalt in großen Teilen ein Arbeitsplatzprogramm. Darum sind die Abgeordneten und Senatoren aus den Bundesstaaten und Countys, in denen Konzerne wie Lockheed Martin oder Northrop Grumman sitzen, stets besonders besorgt um die Aufrechterhaltung der nationalen Verteidigungsfähigkeit.

Die Sicherheit im Alltag könnte hingegen beeinflusst werden durch Einsparungen im Polizeidienst per Zwangsbeurlaubungen und im Strafvollzug. Vorige Woche war die Rede von bereits verfügten 2000 Haftentlassungen aufgrund der Sparzwänge. Ein Behördensprecher korrigierte am Wochenende, es gehe nur um "einige Hundert" Fälle. Bei den auf freien Fuß Gesetzten handelt es sich zudem nicht um Kriminelle, sondern um Illegale, die in Abschiebehaft saßen.

"Ich bin kein Diktator, ich bin der Präsident", entschuldigte sich Obama nach dem gescheiterten Treffen im Weißen Haus auf die Frage, ob er wirklich genug getan habe zur Erreichung eines Kompromisses. Er beherrsche auch nicht die Technik der "Jedi-Gedankenverschmelzung", um die Republikaner von seinen Ideen zu überzeugen. In seiner wöchentlichen Video-Ansprache sagte der Präsident aber auch: "Diese Einschnitte sind unklug. Sie werden unserer Wirtschaft schaden und uns Stellen kosten."

In einem offenen Brief forderten zwei Mitglieder einer überparteilichen Haushalts-Arbeitsgruppe Obama auf, die Parteispitzen zu ernsthaften Gesprächen nach Camp David einzuladen - "oder irgendwo mit einem Tisch und Stühlen, aber ohne Kameras". Alle müssten bereit sein, den Extremisten in ihren Parteien zu sagen, dass am Ende ein mehrheitsfähiger Kompromiss stehen werde. "Das nennt man Führungsstärke."

Ohne eine Lösung des Streits in den kommenden Monaten wird das US-Verteidigungsministerium bis Ende September 13 Prozent seines Haushalts kürzen müssen. Nicht militärische Einrichtungen wie die Raumfahrtbehörde Nasa müssen neun Prozent einsparen. Die Bundesregierung in Washington ist mit 2,7 Millionen zivilen Beschäftigten der größte Arbeitgeber des Landes. Da die Sozial- und Gesundheitsprogramme wie Social Security und Medicare ausgeklammert wurden, tragen die Staatsdiener die Hauptlast der Einschnitte. Experten sehen als einen Grund für die mangelnde Kompromissbereitschaft der Abgeordneten die Hoffnung, dass die Bevölkerung die jeweils andere Partei für den Stillstand verantwortlich machen wird. Einer am Freitag veröffentlichten Reuters/Ipsos-Umfrage zufolge sehen 28 Prozent der Amerikaner die Schuld bei den Republikanern, 18 Prozent bei Obama und vier Prozent bei den Demokraten. Die Mehrheit - 37 Prozent - gibt allerdings allen die Schuld, den Abgeordneten und dem Präsidenten.

Israel befürchtet wegen der dramatischen US-Sparmaßnahmen den Verlust von Militärhilfe in Millionenhöhe. Besonders betroffen könnte die gemeinsame Entwicklung von Systemen zur Raketenabwehr sein, berichtete die Zeitung "Jediot Achronot". Von den etwa drei Milliarden Dollar (2,3 Milliarden Euro) US-Militärhilfe im laufenden Jahr seien 263,5 Millionen Dollar gefährdet. Insgesamt drohten Israel in den kommenden Jahren sogar Einbußen von 760 Millionen Dollar. Offizielle Angaben zu den Auswirkungen der US-Budgetkürzungen gab es nicht.