Mindestens 65 Männer zwischen 20 und 30 Jahren fanden Aktivisten tot an einem Flussufer, die Hände zum Teil hinter dem Rücken gefesselt.

Istanbul/Beirut. Schrecklicher Fund im umkämpften Aleppo: Mindestens 65 Männerleichen haben syrische Aktivisten an einem Flussufer entdeckt. Nach Angaben der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte vom Dienstag wurden die Männer offensichtlich hingerichtet. Die Opfer seien alle zwischen 20 und 30 Jahre alt gewesen. Die Toten sind in einem Film zu sehen, den die Aktivisten ins Internet gestellt haben. Einigen von ihnen sind die Hände auf den Rücken gefesselt. Syrische Rebellen haben nach Angaben von Regimegegnern unterdessen eine Geheimdienstanlage gestürmt und mindestens elf Gefangene befreit.

Von unabhängiger Seite konnten die Angaben zu den Männerleichen zunächst nicht überprüft werden. Der Leiter der Menschenrechtsbeobachter, Rami Abdel-Rahman, sagte auf Anfrage, er habe keine Informationen über die Hintergründe der Tat oder die Täter. Ein Rebellenkommandeur, Abu Omar al-Halabi, sagte, die meisten der bislang identifizierten Toten seien zuvor entführt worden. Ein regimenaher Fernsehsender machte „Terroristen“ für den Tod der Männer verantwortlich.

Landesweit dauerten die Kämpfe an – bis zum Nachmittag kamen laut Opposition mindestens 120 Menschen ums Leben. In Ras al-Ain nahe der türkischen Grenze gab es nach Angaben von Aktivisten erneut auch Gefechte zwischen Kurden und Islamisten. Eine Meldung der Aktivisten, wonach eine Kugel aus Syrien einen türkischen Grenzoffizier getötet hat, wurde von offizieller türkischer Seite zunächst nicht bestätigt. Syrische Kampfflugzeuge griffen nach Angaben der Beobachtungsstelle am Dienstag außerdem Stellungen der Aufständischen im Umland der Hauptstadt Damaskus an. Andere Vororte wurde mit Artillerie beschossen.

Syrische Rebellen haben derweil offenbar eine Geheimdienstanlage im Osten des Landes gestürmt und mindestens elf dort festgehaltene Gefangene befreit. Nach fünf Tagen heftiger Gefechte hätten die Aufständischen den Gebäudekomplex in der Stadt Deir el Sur am Dienstag überrannt, berichtete die Beobachtungsstelle, die sich auf Angaben von Aktivisten stützt. In dem Gefängnis auf dem Gelände der Anlage sollen Oppositionelle festgehalten worden sein.

Die Streitkräfte versuchten mit einer Serie von Luftangriffen, die Aufständischen wieder von dem Gelände zu vertreiben. Deir el Sur ist seit Beginn des Aufstands gegen Staatschef Baschar al Assad im März 2011 schwer umkämpft. In der gleichnamigen Provinz an der Grenze zum Irak liegen etliche Erdölanlagen, die von den Rebellen wiederholt angegriffen wurden. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen hatte im vergangenen Monat berichtet, Deir el Sur werde fast täglich von Regierungstruppen unter Beschuss genommen. Zehntausende Menschen, darunter viele Verwundete, säßen in der Stadt fest.

Die internationale Gemeinschaft bemüht sich um finanzielle Hilfe für die Flüchtlinge. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind inzwischen vier Millionen Syrer auf Unterstützung angewiesen. Bei einer Geberkonferenz am Mittwoch in Kuwait sollen deshalb mehr als eine Milliarde Euro gesammelt werden. Ein Drittel der Gelder soll Menschen in Syrien zugute kommen, der Rest den inzwischen fast 700.000 Flüchtlingen in den Nachbarländern.

Die Europäische Union bewilligte am Dienstag weitere 100 Millionen Euro als humanitäre Hilfe für Opfer des Bürgerkrieges. Nach Angaben der EU-Kommission in Brüssel wird die EU die bisherige Hilfszusage von 100 Millionen Euro im Jahr 2012 bei der internationalen Geberkonferenz verdoppeln. Die humanitäre Lage in Syrien sei katastrophal. Das Geld soll über die großen Hilfsorganisationen ausgegeben werden. Bislang hat der seit März 2011 andauernde Konflikt mehr als 60 000 Menschen das Leben gekostet.