Israel ist in Sorge, dass Assads Chemiewaffen in die Hände radikaler Gruppen fallen könnten. „Damit würde eine rote Linie überschritten“.

Jerusalem. Israel will syrische Chemiewaffen nicht in die Hand militanter Gruppen fallen lassen. Dafür sei auch ein Präventivschlag denkbar, machte der stellvertretende Ministerpräsident Silvan Shalom am Sonntag im Militärradio deutlich. Falls radikale Gruppen – allen voran die libanesische Schiiten-Miliz Hisbollah – an solche Waffen kommen würden, ändere sich alles, sagte er. „Damit würde eine rote Linie überschritten und ein anderer Ansatz wäre nötig.“

Der Abgeordnete und ehemalige Vizechef des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet, Jisrael Hasson, sagte, Israel verfolge die Entwicklung in Syrien sehr genau. Man werde nicht zulassen, dass die Chemiewaffen „in die falschen Hände fallen“. Mitglieder des israelischen Generalstabs haben bereits früher erklärt, die Notfallpläne für einen militärischen Einsatz lägen in der Schublade.

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte in der wöchentliche Kabinettsitzung, er wolle eine möglichst breite und stabile neue Koalition formen, um vor allem den Sicherheitsbedrohungen gegenübertreten zu können, denen sich Israel ausgesetzt sehe. „Im Osten, Norden, Süden brodelt es und wir müssen stark und entschlossen sein mit Blick auf alle möglichen Entwicklungen“, sagte Netanjahu unter Hinweis auf die Lage in den Nachbarländern Syrien und Ägypten.

Die Armee bestätigte Berichte, nach denen auch nahe der nordisraelischen Großstadt Haifa – unweit der Grenzen zum Libanon und Syrien – Flugabwehrraketen des Typs „Eiserner Dom“ stationiert wurden, die bislang nur entlang des Gaza-Streifens eingesetzt wurden. Dies sei aber nicht aufgrund einer „spezifischen Sicherheitslage“ geschehen, wurde beteuert.

Gefechtslärm aus Syrien ist Dauerzustand

Der Bürgerkrieg in Syrien hat in der Vergangenheit immer wieder sporadisch auf Israel übergegriffen. Granaten und Raketen waren auf den israelisch annektierten Golan-Höhen eingeschlagen und hatten auch bereits zu Opfern geführt. Die Regierung bemühte sich aber stets, die Bedeutung solcher Zwischenfälle nicht zu überhöhen.

Auf dem Golan ist der Gefechtslärm aus dem nahen Syrien ein dauerhafter Begleiter. Kämpfe finden teilweise in Sichtweite zu israelischen Dörfern statt. Die israelische Regierung scheut davor zurück, auf den Beschuss seines Gebietes zu reagieren, um nicht in den Konflikt hineingezogen zu werden. Als die israelische Armee einmal im November auf einen Granatbeschuss aus Syrien ebenfalls mit Artilleriefeuer reagiert hatte, hatten Rebellen sogleich verbreitet, Israel greife zugunsten von Machthaber Baschar al-Assad in den Konflikt ein. Viele der Rebellen sind Islamisten, die Israel ebenso hassen wie das Regime von Assad.

Auch vor diesem heiklen Hintergrund scheinen Schaloms Warnungen bedeutsam. „Das Konzept ist, eine Verbreitung dieser Waffen zu verhindern“, sagte er in dem Interview. „In dem Moment, in dem wir davon ausgehen müssen, dass dies geschieht, müssen wir Entscheidungen treffen“, warnte er. Zivilschutzminister Avi Dichter sagte in einem weiteren Interview, Syrien stehe am Rande des Zusammenbruchs. Auf die Frage, ob die Lage dort eine unmittelbare Bedrohung darstelle, antwortete er aber: „Nein, noch nicht.“

Als weiteres Zeichen für die Nervosität vor einem Übergreifen des Konflikts in Israel kann auch ein Treffen gewertet werden, das Schalom bestätigte. Demnach versammelte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Mittwoch – noch während der Auszählung der Stimmen zur Parlamentswahl am Vortag - wichtige Minister, um über die Lage in Syrien zu beraten.

Das genaue Ausmaß des Chemiewaffenarsenals Syriens ist nicht bekannt. Westliche Staaten gehen aber von einem riesigen Bestand aus, der an vier verschiedenen Stellen gelagert werde. Assad selbst hatte versichert, Chemiewaffen nur im Falle eines ausländischen Angriffs einzusetzen.