Schon den fünften Tag in Folge liefern sich Demonstranten und Polizei nahe des Tahrir-Platzes in Kairo heftige Auseinandersetzungen.

Istanbul/Kairo. Die Verkündung des Ausnahmezustands in drei ägyptischen Provinzen scheint die Demonstrationen gegen Präsident Mursi nur weiter anzuheizen: Polizei und Oppositionelle haben sich am Montag den fünften Tag in Folge heftige Auseinandersetzungen in Kairo geliefert. In der Nähe des geschichtsträchtigen Tahrir-Platzes in der Hauptstadt flogen Steine auf Sicherheitskräfte, die Beamten antworteten mit Tränengas. Am späten Sonntagabend protestierten in Port Said, Ismailija und Suez Tausende gegen den kurz zuvor verhängten Notstand. Vor allem in der Region am Suez-Kanal waren in den vergangenen Tagen bei Ausschreitungen über 50 Menschen ums Leben gekommen.

Ägyptens Oppositionsführer haben derweil ein Angebot von Mohammed Mursi zum Dialog zurückgewiesen. Friedensnobelpreisträger Mohammed ElBaradei teilte am Montag über den Kurznachrichtendienst Twitter mit: „Bevor der Präsident die Verantwortung für das jüngste Blutvergießen übernimmt und verspricht, eine Regierung der Nationalen Rettung und ein unabhängiges Gremium zur Abänderung der Verfassung zu bilden, ist jeder Dialog reine Zeitverschwendung.“

Der linke Politiker Hamdien Sabahi forderte den Islamisten auf, die Gewalt zu beenden und den Willen der Menschen zu achten. Grundlage für einen ernsthaften nationalen Dialog seien zudem politische Lösungsangebote und nicht strikte Sicherheitsmaßnahmen.

In Port Said, Ismailija und Suez gelte in den kommenden 30 Tagen ein nächtliches Ausgehverbot von 21.00 bis 6.00 Uhr, sagte der sichtlich aufgebrachte Staatschef am Sonntagabend in einer im Fernsehen übertragenen Ansprache. Mursi sagte, er werde nicht zögern, weitere Maßnahmen zu ergreifen, um die Gewalt zu stoppen. Allerdings versicherte er auch, er wolle Ägypten nicht erneut eine autoritäre Herrschaft aufzwingen. „Es wird keine Abstriche bei Freiheit, Demokratie und Herrschaft geben“, sagte der Präsident.

Chaled Dawud, Sprecher der Heilsfront, sagte, Mursis Einladung sei sinnlos, so lange er nicht festgelegt habe, über welche Themen gesprochen werden solle. Dazu gehöre aus Sicht der Heilsfront auf jeden Fall der Verfassungsentwurf. Dieser wird von der Opposition in der vorliegenden Form abgelehnt. Dawud kritisierte außerdem, dass Mursi in seiner Ansprache nicht die politische Verantwortung für die jüngsten Ausschreitungen gegeben hatte. „Es ist alles ein bisschen zu spät“, sagte er.

Bei Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei waren seit Freitag mindestens 51 Menschen ums Leben gekommen. Nach Straßenschlachten zum zweiten Jahrestag des Aufstands gegen den damaligen Staatschef Husni Mubarak war die Gewalt nach Todesurteilen gegen 21 Fußballfans am Samstag eskaliert. Die Männer aus Port Said wurden in Zusammenhang mit der Stadiontragödie vor einem Jahr schuldig gesprochen, als bei einem Spiel des Clubs Al Masri gegen den Kairoer Verein Al Ahli mindestens 74 Menschen getötet und Hunderte verletzt wurden.