30 Menschen starben bei Protesten nach den Todesurteilen gegen 21 Fußballrandalierer am Sonnabend in Port Said. Krawalle auch in Kairo.

Port Said/Kairo. Todesurteile gegen 21 Fußballfans haben die Gewalt in Ägypten erneut eskalieren lassen. Wegen der Beteiligung an den schlimmsten Fußballkrawallen in der Geschichte des Landes mit vielen Toten verhängte ein Kairoer Gericht am Sonnabend die Höchststrafe. In der Stadt Port Said versuchte eine wütende Menschenmenge daraufhin, ein Gefängnis zu stürmen und die Verurteilten zu befreien. Bis zum Abend gab es mindestens 30 Tote und Hunderte Verletzte. Auch in Kairo gab es wieder Krawalle. Die Regierung denkt darüber nach, den Notstand auszurufen.

Vor einem Jahr, am 1. Februar 2012, waren im Fußballstadion in Port Said 74 Menschen ums Leben gekommen. Unmittelbar nach Abpfiff hatten Fans des Gastgebervereins Al-Masri damals das Spielfeld gestürmt und waren mit Brechstangen, Messern und Schusswaffen auf die Fans des Kairoer Vereins Al-Ahli losgegangen. Von den Al-Masri-Fans wurden später 61 wegen Mordes angeklagt.

Neun Polizisten wurden wegen Nachlässigkeit im Dienst vor Gericht gestellt, weil sie die Fans vor dem Spiel nicht gründlich nach Waffen durchsucht hätten. Sie waren nicht unter den ersten Verurteilten. Auch drei Mitarbeiter des Vereins Al-Masri müssen sich verantworten. Aus Sicherheitsgründen wurde das Verfahren von Port Said nach Kairo verlegt. Die angeklagten Al-Masri-Fans wurden aus Angst vor Übergriffen nicht zum Gericht gebracht. Für die noch nicht verurteilten Angeklagten fällt der Richterspruch am 9. März.

Das Urteil wurde von den anwesenden Angehörigen der Opfer mit „Allahu Akbar, Gott ist groß“ begrüßt. Es kann aber noch angefochten werden. Als Ultras bekannte Fußballfans hatten in den vergangenen Wochen unter dem Motto „Gerechtigkeit oder Chaos“ mehrfach gewaltsam für eine harte Bestrafung der Täter demonstriert. Anhänger des Vereins Al-Ahli feierten die Entscheidung der Richter.

In Port Said dagegen eskalierte die Gewalt. Es kam zu heftigen Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften, Tränengas wurde eingesetzt. Unter den Toten waren auch zwei Polizisten, wie staatliche Medien unter Berufung auf das Innenministerium berichteten. Die Zeitung „Al-Ahram“ berichtete, dass ebenfalls ein ehemaliger Fußballspieler von Al-Masri ums Leben kam. Die Streitkräfte schickten Verstärkung in die Stadt, die Zugverbindungen wurden eingestellt.

Die Fans in Port Said werfen den Richtern ein politisches Urteil vor. Jüngst hatte die Staatsanwaltschaft neue Beweise eingebracht, die in diesen Richterspruch nicht eingeflossen sind. Der schwarze Tag des ägyptischen Fußballs gilt längst als Symbol für die desolate Lage im Land. Präsident Mohammed Mursi jedenfalls zählte die 74 Toten vor wenigen Tagen zu den offiziellen „Märtyrern der Revolution“.

Mursi sagte wegen der aktuellen Krise in seinem Land die Teilnahme am Afrika-Gipfel in Äthiopien ab und beriet sich mit seinen Ministern für Verteidigung, Justiz und Information über das weitere Vorgehen. In einer anschließend vom Staatsfernsehen übertragenen Erklärung des Rates zur Verteidigung des Landes hieß es, dass alle verfassungsgemäßen Maßnahmen zur Herstellung der Sicherheit ergriffen werden sollten. Dies könne auch Ausgangssperren und die Ausrufung des Notstands bedeuten.

Ägyptens wichtigster Oppositionsblock machte den Präsidenten allein verantwortlich für das brutale Vorgehen von Sicherheitskräften gegen Demonstranten. Ein unabhängiges Gremium solle ermitteln und die Täter zur Rechenschaft ziehen, verlangte die Nationale Rettungsfront. Ferner müsse die umstrittene, von Islamisten durchgeboxte neue Verfassung ausgesetzt und eine neutrale Regierung gebildet werden, erklärte das Bündnis weiter. Falls die Forderungen nicht erfüllt werden, drohen die Aktivisten mit einem Boykott der im Frühjahr geplanten Parlamentswahlen. In der Hauptstadt gab es erneut Proteste gegen die Regierung. Am Nachmittag entbrannte auch dort die Gewalt.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle äußerte sich besorgt über die Welle der Gewalt. „Ich sehe mit Sorge, dass es immer noch nicht gelingt, die Auseinandersetzungen um den richtigen Weg in eine gute Zukunft des Landes friedlich zu führen“, sagte er bei einem Besuch in der Schweiz. An Mursi appellierte er, die friedliche Ausübung des Demonstrationsrechts keinesfalls einzuschränken.