Kremlchef nannte Erscheinungsformen des Totalitarismus „absolut inakzeptabel”. Es war die erste Rede an die Nation in der neuen Amtszeit.

Moskau. Russlands Staatspräsident Wladimir Putin hat in einer Rede an die Nation einen Verfall moralischer Werte im Land beklagt. Der russischen Gesellschaft fehle heute ein geistiges Rückgrat, sagte Putin am Mittwoch im Kreml. Vor allem vermisse er Barmherzigkeit und Mitgefühl. „Es fehlt uns, was uns immer stärker gemacht hat und worauf wir immer stolz waren.“ Es war Putins erste Rede zur Lage der Nation seit seiner Wiederwahl zum Präsidenten im März.

Es sei Aufgabe des Staates, Institutionen zu unterstützen, die für traditionelle Werte eintreten, sagte Putin, ohne eine entsprechende Organisation zu nennen. Moralische Werte müssten per Gesetz geschützt werden; allerdings dürften die Politiker die Moral nicht selbst festlegen.

„Wenn der Staat versucht, in den Bereich menschlicher Ansichten und Überzeugungen einzudringen, ist das zweifelsohne eine Erscheinungsform des Totalitarismus“, so der Kremlchef. Das sei „absolut inakzeptabel“.

Unter den Hunderten Zuhörern waren neben Abgeordneten beider Parlamentskammern auch das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Kyrill I.

Der Kremlchef hat zudem eine „Wiedergeburt des Nationalstolzes“ der Russen gefordert. Russland leide an einem „Mangel an geistiger Stütze“, sagte Putin. „Deshalb ist es nötig, die moralischen und geistigen Grundlagen der Gesellschaft zu stärken“, sagte der 60-Jährige in der 83 Minuten langen Ansprache.