Das Abendblatt erklärt in einer zehnteiligen Serie die gefährlichsten Konfliktherde der Welt und ihre Hintergründe. Im vierten Teil: Iran.

Hamburg. Die Ereignisse im Sommer 1953 hätten mehr einem Groschenroman geglichen als einem historischen Ablauf, notierte US-Präsident Dwight D. Eisenhower später in seinen Memoiren. Doch die Folgen dieses "Groschenromans" waren höchst dramatisch.

Im Zentrum der Ereignisse stand der Iran mit seinem Premierminister Mohammed Mossadegh. Der in Europa ausgebildete Politiker hatte die Großmacht Großbritannien gegen sich aufgebracht, weil er die Verstaatlichung der bis dahin in britischen Händen befindlichen iranischen Ölindustrie verteidigte - London hatte rund 90 Prozent der Erträge eingestrichen -, und die USA, weil er aus taktischen Gründen mit der Sowjetunion flirtete.

Im Juli 1953 segneten der britische Premier Winston Churchill und Eisenhower den Plan eines CIA-Agenten namens Kermit Roosevelt ab. Mittels dessen "Operation Ajax" wurde Mossadegh gestürzt, um den Schah als prowestlichen Aktivposten zu stärken. Diese unerhörte Einmischung des Westens aus egoistischen Motiven ist bis heute im Iran unvergessen. Das autokratische Regime von Schah Mohammad Reza Pahlavi brachte mit seiner ultrabrutalen Geheimpolizei Savak und der übereilten "Weißen Revolution" zur Schaffung eines modernen Industrie- und Sozialstaates dann große Teile des Volkes und des religiösen Establishments gegen sich auf und bereitete den Boden für eine islamistische Diktatur vor.

Als die USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland den Schah im Januar 1979 fallen ließen, schlug die Stunde des im Pariser Exil lauernden radikalislamischen Imams Ruhollah Khomeini. Der Ajatollah, der seit vielen Jahren gegen das Schah-Regime gegeifert hatte, kehrte am 1. Februar im Triumphzug zurück und etablierte umgehend die "Islamische Republik Iran". Eine rachsüchtige Gestalt von alttestamentarischer Wucht schaffte Khomeini dies unter anderem mit Massenhinrichtungen und blankem Terror. Erleichtert wurde es ihm innenpolitisch durch den vom irakischen Tyrannen Saddam Hussein angezettelten irakisch-iranischen Krieg 1980-1988.

Die Macht im Staat Iran geht nicht vom Volk aus, sondern wird allein religiös legitimiert. Der Revolutionsführer - seit dem Tod Khomeinis 1989 ist dies Ajatollah Ali Chamenei - hat die oberste Staatsgewalt inne und wird unterstützt vom mächtigen Wächterrat sowie der Revolutionsgarde Pasdaran.

Diese hochgerüstete Miliz, die im Notfall noch das Millionenheer der Freiwilligenmiliz Bassidsch mobilisieren kann, ist nicht nur neben der regulären Armee die zweite militärische Säule Irans, sie ist mit ihren vielfältigen Beteiligungen und Besitzungen zugleich der größte Unternehmer des Landes. Legislative, Exekutive und Judikative sind dem Revolutionsführer, dem "Rahbar", unterstellt. Demokratische Parteien gibt es ebenso wenig wie eine freie Presse. Gesellschaftlich ist der Iran jedoch keineswegs homogen; es tobt seit Jahren ein Machtkampf zwischen verschiedenen Fraktionen sowie zwischen Hardlinern und Gemäßigten.

Vor allem bei den jungen Iranern hat das Regime längst die Unterstützung verloren. Bei den Wahlen der letzten Jahre konnte es seine Macht nur mit Betrug und dem Ausschluss von gemäßigten Kandidaten verteidigen. Der riesige Iran, der mit mehr als 1,6 Millionen Quadratkilometern Fläche gut viereinhalb mal so groß wie Deutschland ist und etwa 78 Millionen Einwohner hat, ist ein schiitischer Staat. Die Schiiten stellen nur zehn bis 15 Prozent der Muslime der Welt. Damit befindet sich der Iran in einem mehr oder minder offenen Gegensatz zu den großen sunnitischen Akteuren der Region - wie Saudi-Arabien, Ägypten oder auch der Türkei. Die antiwestliche und antiisraelische Agenda der Mullahs in Teheran hat den Iran auf einen Kollisionskurs vor allem mit den USA und Israel gebracht. Die Schaffung einer weit im Land verstreuten und zum Teil tief verbunkerten Atomindustrie legt den Verdacht nahe, der hochgerüstete Iran wolle sich Atomwaffen verschaffen.

Da sowohl Chamenei als auch Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad mit der Zerstörung des Staates Israel gedroht haben, erwägt Jerusalem präventive Militärschläge gegen die iranische Atomindustrie. Dies aber könnte einen regionalen Großkonflikt auslösen, weil der Iran mit Syrien verbündet ist sowie die den Libanon dominierende Hisbollah und die im Gazastreifen herrschende Hamas steuert. Zudem hat der Iran mit der Verminung der Straße von Hormus gedroht, durch die ein Viertel des Weltöltransports läuft.

Mittels einer Atombewaffnung könnte die Führung in Teheran eine militärische Unverwundbarkeit sicherstellen und zugleich über die politische Wirkung von Nuklearwaffen die gesamte Region dominieren. Das Ziel der Mullahs scheint zu sein, die Macht der persischen Großkönige unter islamischen Vorzeichen wiederherzustellen.

Der Iran ("Land der Arier") ist eine uralte Kulturregion, die vor rund 5500 Jahren mit Elam ein erstes Reich auf iranischem Boden hervorbrachte. Das Reich der Meder (728-550 vor Christus) vermochte sogar große Teile des assyrischen Imperiums zu unterwerfen. Die persischen Großreiche der Antike schließlich unter berühmten Königen wie Kyros, Dareios oder Xerxes gehören zu den Hochkulturen der Geschichte. Die iranische Antike ist gekennzeichnet vor allem durch die Kriege mit den griechischen Stadtstaaten und später mit Alexander dem Großen. Die westliche Geschichtsschreibung stilisiert diese Epoche zum Kampf zwischen Kultur und Barbarei, wird aber den Persern damit nicht gerecht. Die altpersische Dynastie der Sassaniden, die bis 651 n. Chr. herrschte, war ein ernst zunehmender Rivale des Römischen Reichs. Danach fielen die Araber ein und bekehrten die Perser zum Islam.

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