Kritik an Israel kommt von allen Seiten. SPD: Merkel soll mit Netanjahu Klartext reden. Ministerpräsident kommt Mittwoch nach Berlin.

Jerusalem/ Berlin/Paris/Köln. Israel will trotz scharfer internationaler Proteste seine umstrittene Siedlungspolitik in den Palästinensergebieten fortsetzen. Auch in Ramat Schlomo im Nordosten Jerusalems sollten zusätzlich noch mindestens 1600 neue Wohneinheiten gebaut werden, meldeten israelische Medien am Dienstag. Das Projekt war in der Vergangenheit nach Kritik eingefroren worden. Israelische Botschafter in mehreren europäischen Hauptstädten waren am Montag aus Protest gegen den geplanten Bau von 3000 weiteren Wohnungen im Westjordanland und Ost-Jerusalem einbestellt worden.

Auch SPD und Grüne haben an den Plänen Israels deutliche Kritik geübt. Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, Gernot Erler, sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Die Fortsetzung der israelischen Siedlungspolitik untergräbt alle Hoffnungen auf einen baldigen Frieden.“ Wenn Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Mittwoch nach Berlin komme, müsse Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit ihrem Gast Klartext reden.

Der Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Parlamentariergruppe, Jerzy Montag von den Grünen, sagte der Zeitung: „Die jetzige israelische Regierung ist verfangen in einem Denken der gegenseitigen Konfrontation.“ Die Baupläne hätten einen provokativen Charakter und dienten nicht den Interessen des Landes, da sie die moderaten Kräfte unter den Palästinensern schwächten und die Radikalen stärkten.

Die Bundesregierung hatte Israel am Montag aufgefordert, die Pläne zurück zu nehmen. Andere europäische Regierungen bestellten die israelischen Botschafter ein. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) verzichtete allerdings auf diplomatische Schritte.

Israel hatte den Wohnungsbau vorige Woche angekündigt, nachdem die UN-Vollversammlung den Palästinensern einen Beobachterstatus als Nichtmitgliedsstaat eingeräumt hatte.

International manövriert sich Israel mit seinen neuen Siedlungsplänen im Westjordanland immer weiter ins Abseits. Briten, Franzosen, Schweden, Spanier und Dänen bestellten die israelischen Botschafter ein, um ihre Missbilligung zu übermitteln. Und auch die USA bewerteten die Pläne als „besonders schädlich“ für die Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern. Doch Israel bekräftigte, dass es trotz internationalem Druck für seine „grundlegenden Interessen“ einstehen werde, wie das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mitteilte. „Es wird keine Änderung von getroffenen Entscheidungen geben.“

Auch wenn Europa den jüdischen Siedlungsbau grundsätzlich als illegal ansieht, war die Einbestellung der Botschafter durch fünf Staaten ein neuer Tiefpunkt im ohnehin angespannten Verhältnis Israels mit den Europäern, die vergangene Woche mehrheitlich für einen Beobachterstatus Palästinas als Nichtmitgliedsstaat bei den Vereinten Nationen gestimmt hatten und dafür von Israel scharf kritisiert worden waren. Einen Tag nach dem Votum kündigte Israel den Bau von 3.000 Wohnungen für Siedler in einer für die Schaffung eines Palästinenserstaates strategisch besonders wichtigen Region an.

„Negative Botschaft“

Mit dem Siedlungsbau sende Israel eine „negative Botschaft“ und untergrabe das Vertrauen in seine Verhandlungsbereitschaft, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. „Es schwindet auch weiter der geografische Raum für einen zukünftigen Palästinenserstaat, der ja die grundlegende Voraussetzung für eine Zwei-Staaten-Lösung sein müsste“, fügte er hinzu. Mit Blick auf ein Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Netanjahu am Mittwoch in Berlin sagte Seibert, die Kanzlerin freue sich auf „offene Gespräche unter Freunden“.

An eine Einbestellung des israelischen Botschafters oder ähnliche diplomatische Maßnahmen ist nicht gedacht, wie das Auswärtige Amt auf Anfrage sagte. Eine Sprecherin verwies darauf, dass Außenminister Guido Westerwelle bereits am Sonntag gemahnt hatte, das Bemühen um Frieden hänge am seidenen Faden. Deutschland hatte sich beim Palästinenser-Votum in der Vollversammlung ebenso wie Großbritannien der Stimme enthalten.

Kritik an Palästinenser-Votum

Diese Abstimmung verurteilte Israel am Montag aufs Neue: „Der einseitige Schritt der Palästinenser ist eine offenkundige und fundamentale Verletzung von Vereinbarungen, für die die internationale Gemeinschaft gebürgt hat. Es sollte niemanden überraschen, dass Israel nach diesen unilateralen Schritten nicht untätig da sitzt“, hieß es aus Netanjahus Büro.

Doch dass die Reaktion neue Siedlungspläne sind und auch noch in der als „E1“ bekannten Region – ein Bau dort würde das Westjordanland und Ostjerusalem voneinander trennen – stieß nicht nur in Europa, sondern auch in den USA auf Kritik. Konkrete Strafmaßnahmen gegen Israel stellte aber keine der Regierungen in Aussicht. Aus der britischen Regierung verlautete, man warte darauf, dass Washington die Führung übernehme. Das US-Außenministerium verurteilte den Siedlungsbau ebenfalls scharf. „Wir haben der israelischen Regierung klargemacht, dass eine solche Aktion im Widerspruch zur US-Politik steht“, sagte Sprecher Mark Toner. Er forderte alle Seiten auf, konstruktiv an den Voraussetzungen für neue Friedensverhandlungen zu arbeiten und unilaterale Schritte zu vermeiden. Die USA hatten in der UN-Vollversammlung gegen die diplomatische Aufwertung Palästinas gestimmt.