Ein Berg von Schulden und Problemen wartet schon auf Obama. Seine größte Baustelle ist zu Hause - und die Republikaner müssen mitmachen.

Washington. „Das Beste kommt noch“, verhieß Präsident Barack Obama zwei Stunden nach der Siegesnachricht den Amerikanern. Für seinen unterlegenen Rivalen Mitt Romney, der ihm bereits telefonisch gratuliert hatte, fand Obama versöhnliche Worte: Er wolle sich mit ihm treffen und besprechen, wie sie zusammenarbeiten könnten. Sie hätten vielleicht „erbittert gekämpft – aber nur, weil wir dieses Land innig lieben“.

Auch Romney zeigte in der Niederlage Größe. Vor lautstark johlenden, sichtlich gerührten Anhängern trat er im Ballsaal des Bostoner Kongresszentrums auf die Bühne und beglückwünschte Obama zum Wahlsieg. Er fasste sich kurz, dankte seinen Unterstützern und küsste seine Frau Ann: „Sie wäre eine wunderbare First Lady gewesen.“ Amerika stehe vor großen Herausforderungen, sagte der tiefgläubige Mormone weiter und fügte hinzu: „Ich bete dafür, dass der Präsident unsere Nation erfolgreich führt.“

Das wird nun Obamas größte Herausforderung: Der US-Wirtschaftsexperte Irwin Collier betonte, dass die größte Baustelle des neuen alten Präsidenten direkt vor seiner Haustür liege. Viel Zeit zur Freude über den Sieg und zum Durchatmen bleiben ihm und seiner Partei nicht. Durch das enorme Haushaltsdefizit liege die größte Baustelle der Demokraten in den nächsten vier Jahren zuhause, sagt Collier vom John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien der Freien Universität Berlin. Doch die großen Reformen, die nun nötig sind, könnten mit einer Mehrheit der Republikaner im Repräsentantenhaus schwierig werden. „Wenn sich die Republikaner Verhandlungen komplett verweigern, kann Obama wenig machen. Man wird aber die Frage stellen, wieso es für die Republikaner trotz der schwachen Wirtschaftslage nicht möglich war, das Weiße Haus zu erobern. Intelligente Leute lernen aus Fehlern. Da ist es die Frage, ob die rechtskonservative Tea-Party-Bewegung bei den Republikanern künftig einen so großen Einfluss behält“, so Collier.

Dennoch ist erfolgreiche Zusammenarbeit nicht unmöglich, denn Romney hat signalisiert, dass er sich wünscht, dass das Land gut geführt wird und Obama hat schon angekündigt, sich mit Romney treffen zu wollen. Collier sagt: „Er muss vor allem zuhause Ordnung schaffen. Er muss die Strukturdefizite in der amerikanischen Finanzpolitik angehen, am besten in einer Kombination von Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen. Da sind Kompromisse nötig. Dass die Republikaner bisher auf null Steuererhöhungen bestehen, macht es sehr schwierig.“ Obwohl der Wahlkampf laut dem Experten rau ablief, könnten sich die Kontrahenten im bald anstehenden Alltag einig werden: „Das war eher wie im Wilden Westen: Obama gegen Romney, Mann gegen Mann – wie in Dodge City.“ Obama schätzt er nun etwas mutiger ein, als in der vergangenen Wahlperiode, gerade was ein besonders brisantes Problem betrifft: „Ich vermute auch, dass er in Bezug auf die Schließung des Gefangenenlagers in Guantánamo etwas mehr wagt als bisher. Er muss ja in vier Jahren nicht wiedergewählt werden.“

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Obama sorgt für Rekorde im Internet

Die Wahl hat im Internet gleich mehrere neue Rekorde aufgestellt. Sie war mit mehr als 31 Millionen Äußerungen das bisher meistdiskutierte politische Ereignis im Internet-Dienst Twitter. Das Foto von Präsident Barack Obama und seiner Frau Michelle auf Facebook ist mit über 2,8 Millionen das mit den meisten „Gefällt mir“-Klicks in der Geschichte des sozialen Netzwerks. Der Wahlsieger Obama feierte das Ergebnis nur wenige Minuten nach der Entscheidung zuerst auf Twitter.

„Vier weitere Jahre“, schrieb er und fügte das gleiche Foto wie auf Facebook hinzu: Es zeigt Obama in einer innigen Umarmung mit Michelle. Fast 600 000 Personen schickten es bis zum Mittwochmittag weiter – auch das ein Rekord. Der Präsident meldete sich auf Twitter fast zeitgleich mit den ersten Nachrichten der TV-Sender zum Wahlausgang zu Wort. Erst rund eineinhalb Stunden später betrat er in Chicago mit seiner Familie die Bühne.

Immer noch kein Ergebnis in Florida

Nur im Bundesstaat Florida ist die Auszahlung der Wählerstimmen zu einer Hängepartie geworden. Auch am Mittwochmittag (MEZ) stand nicht abschließend fest, ob die 29 Wahlmännerstimmen an US-Präsident Barack Obama oder Wahlverlierer Mitt Romney gehen würden. Laut Berichten von US-Fernsehsendern lag der Demokrat Obama in Florida mit äußerst knappem Vorsprung vor dem Republikaner Romney. Für den Ausgang der US-Präsidentschaftswahl war das Kopf-an-Kopf-Rennen in dem umkämpften „Battleground-State“ nicht mehr entscheidend. Mit einem Sieg in Florida könnte Obama auf maximal 332 Wahlmännerstimmen kommen – für den Sieg waren 270 der insgesamt 538 Stimmen nötig.