Als Gegenleistung muss Griechenland noch härter sparen und direkte Eingriffe der Euro-Staaten in den eigenen Haushalt akzeptieren.

Athen/Berlin. Den Griechen soll ein Teil ihrer gewaltigen Staatsschulden erlassen werden - aber der politische Preis dafür trieb erneut Tausende zu Protesten auf die Straßen. Denn für neue Hilfen der Euro-Gruppe muss Athen möglicherweise weitere Einschnitte im sozialen Bereich und drastische Kontrollen seiner Haushaltspolitik in Kauf nehmen. Nach Informationen verschiedener Medien will die Troika Griechenland aber auch entgegenkommen und schlägt einen Schuldenschnitt für die öffentlichen Gläubiger und einen Aufschub von zwei Jahren für die Haushaltssanierung vor.

Wie der "Spiegel" berichtet, präsentierten die Vertreter der Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) ihre Vorschläge bereits Spitzenbeamten aus den Finanzministerien der Mitgliedsländer.

Ihr Papier zählt demnach 150 neue Reformvorschläge auf, darunter eine Lockerung des Kündigungsschutzes, eine Aufweichung des Mindestlohns und die Aufhebung bestimmter Berufsprivilegien. Zudem schlug die Runde laut "Spiegel" Maßnahmen vor, um Athen zu Reformen zu zwingen: Dabei geht es um die Einrichtung eines Sperrkontos, auf dem die Kredittranchen geparkt werden. Falls Athen die Reformen nicht wie vereinbart umsetzt, würden zum Beispiel automatisch die Steuern erhöht. Um den Haushalt in Ordnung zu bringen, soll Griechenland zwei Jahre mehr Zeit erhalten.

Nach Darstellung des "Focus" schlägt das Bundesfinanzministerium vor, auf das Treuhandkonto einen festen Teil der griechischen Einnahmen etwa aus der Mehrwertsteuer fließen zu lassen. Viele Punkte auf der Liste sind dem "Focus" zufolge bislang noch umstritten. So auch der Vorschlag der Euro-Gruppe, griechische Beamte in Schlüsselpositionen des Troika-Programms durch europäische Experten oder unabhängige Einheimische zu ersetzen, um Korruption zu vermeiden.

Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) lehnt einen Verzicht auf Rückzahlungen allerdings ab. Schäuble gab im Deutschlandfunk zu erkennen, dass Athen mit automatischen Kürzungen oder einem Kontrollmechanismus rechnen muss. "Der kann die Glaubwürdigkeit vielleicht schaffen, die wir bisher noch nicht für Griechenland-Programme erreicht haben", sagte Schäuble. Einen Schuldenschnitt bezeichnete der CDU-Politiker als unrealistisch. Öffentlichen Gläubigern wie etwa den Euro-Staaten verbiete es das Haushaltsrecht, einem Schuldner, der Forderungen nicht bediene, auch noch neues Geld zu geben. Realistischer sei ein Schuldenrückkaufprogramm. Mit einem Einsatz von einem Euro aus neuen Krediten ließen sich so Altschulden im Nennwert von 1,50 Euro ablösen.

Am Mittwoch wollen die Euro-Finanzminister bei einer Telefonkonferenz erneut über die Hilfen für Athen beraten. Hinter den Kulissen gilt als sicher, dass die Euro-Partner Griechenland nicht fallen lassen und das Land mit neuen Hilfskrediten vor der Pleite bewahren. Auch einen Aufschub für die Erfüllung der Sparauflagen dürfte es geben. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) mahnte die Bundesregierung in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", dass der Bundestag seine Zustimmung zu einer Fristverlängerung geben müsse.

Griechenland braucht bis Mitte November eine nächste Hilfszahlung von 31,5 Milliarden Euro. Das Sparprogramm als Voraussetzung für weitere Finanzhilfen der internationalen Geldgeber muss vor dem 12. November vom Parlament gebilligt werden. Dann will die Euro-Gruppe entscheiden, ob die nächste Tranche ausgezahlt wird.

Derweil hat die griechische Polizei am Sonntagmorgen den Chefredakteur der Athener Boulevardzeitschrift "Hot Doc" festgenommen. Am Vortag hatte die Zeitschrift eine Liste mit insgesamt 2059 angeblichen Steuersündern veröffentlicht, die unversteuerte Gelder aus Griechenland in die Schweiz überwiesen hätten. Darunter waren auch einige Politiker, Journalisten, aber auch Hausfrauen und Studenten. Die Staatsanwaltschaft hatte sofort danach die Festnahme des Chefredakteurs der Zeitschrift angeordnet. Grund: Es sei nicht erwiesen, dass die darin genannten Menschen tatsächlich Steuersünder seien. Zudem werde mit der Veröffentlichung der Namen die Persönlichkeit der Menschen verletzt. "Ich werde jetzt gerade festgenommen. Machen Sie es weiter bekannt", twitterte der Chefredakteur am Morgen. Die Polizei bestätigte die Festnahme.

Die sogenannte Liste Lagarde stammt aus Informationen französischer Sicherheitskräfte und enthält auch Namen von griechischen Bürgern, die in den vergangenen zehn Jahren Geld in die Schweiz überwiesen hatten. Die Liste hatte nach Berichten der Presse die damalige französische Finanzministerin Christine Lagarde 2010 den griechischen Behörden gegeben. Lagarde ist heute Chefin des Internationalen Währungsfonds.