Sonja Suder soll im Dezember 1975 ein tödliches Attentat in Wien vorbereitet haben. Auch ihr 71-jähriger Freund ist angeklagt.

Frankfurt/Main. Jahrzehntelang stand Sonja Suder auf den deutschen Fahndungslisten weit oben, sie galt als Top-Terroristin. Als die mittlerweile 79-Jährige am Freitag in den Frankfurter Gerichtssaal geführt wird, brandet Beifall im Zuschauerraum auf. Minutenlang klatschen Sympathisanten, viele davon sind so jung, dass sie ihre Enkel sein könnten. Einige sind aus Frankreich angereist. Ein merkwürdiges Bild im möglicherweise letzten Prozess, in dem der deutsche Linksterrorismus vor mehr als 30 Jahren juristisch aufgearbeitet wird.

Baseballkappe und Sonnenbrille legt Suder, die bis vor einem Jahr in Frankreich gelebt hatte, später ab. Die zierliche Frau ist dunkel gekleidet, trägt ein rosa gemustertes Tuch um den Hals und hat die grauen Haare im Nacken zum Knoten gebunden. Sie wirkt ruhig, gelassen und selbstbewusst. Ihr Freund Christian Gauger, 71, sitzt dagegen zusammengesunken auf der Bank vor ihr, sehr blass, die Wangen eingefallen.

Die beiden Angeklagten sollen den Revolutionären Zellen (RZ) angehört haben, einer linksextremistischen Terrorgruppe, die vor allem in den 1970er- und 80er-Jahren mit zahlreichen Anschlägen Angst und Schrecken verbreitete. Doch die mutmaßliche Mitgliedschaft Suders in den RZ spielt in dem Prozess nur noch indirekt eine Rolle. Sie ist verjährt - anders als der Mordvorwurf.

Vor fast 40 Jahren soll Suder den Überfall auf die Konferenz der Erdöl exportierenden Staaten (Opec) in Wien unter dem Kommando des Venezolaners Ilich Ramirez Sanchez alias Carlos entscheidend mit vorbereitet haben. Im Frankfurter Stadtwald, so die Staatsanwaltschaft, habe Suder sich konspirativ mit Hans-Joachim Klein getroffen und ihn als Attentäter gewonnen. Zudem habe sie Waffen und Sprengstoff beschafft. Gauger ist hingegen nicht wegen des Opec-Attentats angeklagt.

Tatsächlich war Hans-Joachim Klein an dem Überfall mit drei Toten am 21. Dezember 1975 beteiligt und wurde dabei selbst durch einen Schuss verletzt. Er wurde 2001 zu neun Jahren Haft verurteilt und 2009 begnadigt. Klein profitierte dabei von der Kronzeugenregelung, nachdem er Hinweise auf Suder gegeben hatte. Obwohl diese an dem Überfall in Wien gar nicht beteiligt war, sei sie doch mitverantwortlich für die drei Toten, argumentiert die Staatsanwaltschaft.

Gesagt hat Suder am ersten Prozesstag nichts. Noch bevor die Anklage verlesen werden konnte, stellten ihre Anwälte Befangenheitsanträge gegen das Gericht. Suder freute sich sichtlich über die Begrüßung der Sympathisanten, die vor dem Gerichtsgebäude Transparente mit Aufschriften wie "Freiheit für Sonja und Christian" hochgehalten hatten. Ihren Gefährten, mit dem sie jahrzehntelang in Frankreich gelebt hatte, herzte und küsste sie im Gerichtssaal. Beide müssen sich wegen diverser Sprengstoffanschläge Ende der 70er-Jahre verantworten.

Nach juristischem Tauziehen hatte Frankreich das Seniorenpaar vor einem Jahr ausgeliefert. Seitdem ist Suder Hessens älteste Untersuchungsgefangene. An ihrem 80. Geburtstag im Januar ist der Prozess vermutlich noch nicht zu Ende. Wegen Gaugers angeschlagener Gesundheit sind die Verhandlungen kurz. Vorerst sind bis Ende März Termine angesetzt.