Russland wirft amerikanische Entwicklungsorganisation USAid aus dem Land. Das Verhältnis zwischen Putin und Obama ist deutlich abgekühlt.

Washington. Dass Washington enttäuscht sei über die russische Entscheidung, die amerikanische Entwicklungshilfeorganisation USAid aus dem Land zu werfen, wollte die Sprecherin des State Departments nicht bestätigen. Der Vorgang sei zwar "bedauerlich", aber es handele sich um "die souveräne Entscheidung eines Landes", beantwortete Victoria Nuland entsprechende Journalistenfragen im State Department. Und als ein Korrespondent wissen wollte, ob die USA dennoch russischen Gruppierungen, die sich für Demokratie und Menschenrechte einsetzten, Geld zukommen lassen könnten, sagte die Sprecherin: "Das tun wir."

Die US-Regierung spielt den Hinauswurf von USAid aus Russland zum 1. Oktober erkennbar herunter und ließ sich auffallend viel Zeit, den Vorgang überhaupt zu kommunizieren. Der Republikaner John McCain interpretierte die bereits am 11. September verfügte, aber erst Mitte dieser Woche bekannt gewordene Entscheidung des Moskauer Außenministeriums als "Bloßstellung" der Obama-Administration, "die ständig den angeblichen Erfolg ihrer sogenannten 'Neustart'-Politik mit Moskau herausposaunte". Aber zum großen Thema machen auch die Republikaner den russischen USAid-Bann nicht. In ihren Sparplänen steht die Streichung von Entwicklungshilfe insbesondere für unbotmäßige Staaten weit oben.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow hatte den Hinauswurf von USAid seiner Amtskollegin Hillary Clinton bereits am 8. September in Wladiwostok angekündigt. An diesem Dienstag begründet ein Sprecher von Lawrow den Schritt damit, dass die US-Behörde ihre Mittel einsetze, um "den Ausgang von Wahlen zu beeinflussen".

Die Agentur habe in Russland Geld zur Verfügung gestellt für den "Versuch, den Kurs des politischen Prozesses im Land zu beeinflussen, darunter Wahlen auf verschiedenen Ebenen und Einrichtungen der Zivilgesellschaft". Zudem werfe die regionale Arbeit von USAid, "vor allem im nördlichen Kaukasus, ernsthafte Fragen auf". Dort ist Moskau mit islamistischen Aufständischen konfrontiert. Westliche Beobachter argumentieren, Menschenrechtsverletzungen und harte Polizeimaßnahmen schürten die dortigen Unruhen.

Gestern bekräftigte das Außenministerium die Kritik: USAid-Verantwortliche hätten mehrmals rote Linien überschritten, sagte ein Sprecher. Russland bedauere, dass sich die USA nun als ahnungsloses Opfer inszenierten. Ein Putin-Sprecher ließ wissen, der Präsident "sieht dies sehr ähnlich".

Das US-Außenministerium weist den Vorwurf, USAid bemühe sich um die Beeinflussung von Wahlen, dagegen zurück. Die Vereinigten Staaten unterstützten aber auch weiterhin "Demokratie, Menschenrechte und die Entwicklung einer robusteren Zivilgesellschaft in Russland", hieß es.

Gleichwohl ist der Hinauswurf von USAid ein Rückschlag für den "Reset" im russisch-amerikanischen Verhältnis, den Barack Obama zu seinem Amtsantritt angekündigt hatte. Kam er mit Dmitri Medwedew noch einigermaßen aus, ist die Tonlage zwischen Moskau und Washington seit der Rückkehr Putins an die Macht deutlich kälter geworden. Auch mit dem Plan einer US-Raketenabwehr beißt Obama in Moskau auf Granit. Trotzdem bemüht sich Washington um Zurückhaltung. Hintergrund: Die Obama-Regierung will Russland in der Syrien-Politik auf ihre Seite ziehen und bei der Unterstützung der Sanktionen gegen den Iran nicht verlieren.

USAid ist seit 20 Jahren in Russland tätig und hat dort bislang rund2,7 Milliarden Dollar verteilt. Für 2012 standen 49,47 Millionen Dollar im Russland-Budget der Behörde zur Verfügung. 59 Prozent davon sollten in Programme mit Partnerorganisationen zur Entwicklung von Demokratie und Zivilgesellschaft fließen. 37 Prozent waren für Gesundheitsprojekte vorgesehen, vier Prozent für den Umweltschutz. In der russischen Vertretung von USAid sind 13 Amerikaner und 60 russische Mitarbeiter tätig.

Putin persönlich hatte den USA wiederholt vorgeworfen, sich in innere Angelegenheiten seines Landes einzumischen. Im Sommer unterzeichnete er ein Gesetz, nach dem sich aus dem Ausland finanzierte Non-Profit-Organisationen, die beispielsweise als Wahlbeobachter tätig sind, als "ausländische Vertreter" registrieren lassen müssen.

Menschenrechtler in Moskau kritisierten die Entscheidung ihrer Regierung. Ljudmila Aleksejewa, die Leiterin der dortigen Helsinki-Gruppe, warnte, Putin steuere zurück auf einen "sowjetischen Weg". Der Menschenrechtsbeauftragte Wladimir Lukin forderte, die Führung müsse auch mit "unbequemen" Organisationen kooperieren.