In Amerika produzierter Hetzfilm über den Propheten Mohammed löst gewalttätige Demonstrationen in mehreren muslimischen Staaten aus.

Hamburg. Der US-Geheimdienst CIA wusste seit Längerem, dass der Libyer Mohammed Hassan Qaid, der unter dem Kampfnamen Abu Jahya al-Libi bekannt war, ein höchst gefährlicher Mann war. Der frühere CIA-Analyst Jarret Brachman beschrieb den 1963 geborenen Dschihadisten als "Krieger, Poet, Gelehrten, Experten und militärischen Kommandeur". Er sei charismatisch, ein aufstrebender Stern bei al-Qaida. Brachmann traute dem Libyer zu, die Nachfolge von Osama Bin Laden und damit die Steuerung des globalen Dschihad übernehmen zu können.

Die Amerikaner verdoppelten ihre Anstrengungen, al-Libi auszuschalten. Am 4. Juni wurde der Medienchef von al-Qaida von zwei Raketen einer US-Kampfdrohne in Mir Ali im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet getötet.

Erst im September bestätigte Al-Qaida-Chef Ayman Sawahiri den Tod al-Libis. Denn offensichtlich sollte die Nachricht zeitnah zu einem Anschlag auf eine US-Vertretung am 11. Jahrestag der Al-Qaida-Anschläge vom 11. September 2001 verkündet werden - ein Racheakt für die Tötung al-Libis.

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Der Mord an dem amerikanischen Botschafter in Libyen, Chris Stevens, und an drei weiteren US-Diplomaten sowie etlichen libyschen Sicherheitskräften bei einem Angriff auf das amerikanische Konsulat in Bengasi ist also kaum zufällig aus den Protesten gegen den Film entstanden, in dem der Prophet Mohammed in übler Weise geschmäht wird (siehe rechts).

Die alarmierte US-Regierung entsandte zunächst rund 50 speziell ausgebildete Elitesoldaten der Marines nach Bengasi, um dort verbliebene US-Bürger vor Übergriffen zu schützen. Zudem setzte Washington die beiden Zerstörer "USS Laboon" und "USS McFaul" in Marsch. Sie sollen vor der Küste Libyens patrouillieren. Die Kriegsschiffe tragen unter anderem "Tomahawk"-Marschflugkörper. Zudem schickte die US-Regierung nach Medienberichten Aufklärungsdrohnen nach Libyen, um Schlupfwinkel von Dschihadisten ausfindig zu machen.

Noman Benotman von der Londoner Quilliam Foundation, einer auf das Phänomen Terror spezialisierten Denkfabrik, sagte im US-Sender CNN: "Ein Angriff wie jener in Bengasi erfordert gründliche Planung. Nach unseren Quellen war dies das Werk einer Gruppe von rund 20 Militanten, die für einen militärischen Angriff vorbereitet waren. Es ist ja wohl eher selten, dass eine Panzerabwehrwaffe des Typs RPG-7 bei einem friedlichen Protest mitgeführt wird." Benotman war früher ein führendes Mitglied der "Libyschen Islamischen Kampfgruppe". Im Verdacht, den Angriff in Bengasi organisiert zu haben, steht vor allem die Gruppe Scheich-Omar-Abdul-Rahman-Brigaden. Sie hat ihren Namen nach einem blinden Islamisten, der wegen der Beteiligung am ersten Anschlag auf das New Yorker World Trade Center 1993 in den USA einsitzt.

Indessen droht sich der Protest zu einem Flächenbrand in der muslimischen Welt auszuweiten. Nach der gewaltsamen Demonstration in Libyen griffen wütende Mengen auch in Tunesien, Ägypten und im Jemen die amerikanischen Vertretungen an. In der jemenitischen Hauptstadt Sanaa gab es drei Tote und viele Verletzte, als rund 4000 aufgebrachte Muslime versuchten, die US-Botschaft zu stürmen, und von Wachleuten mit Warnschüssen zurückgedrängt wurden. In Tunesien und im Iran gingen ebenfalls Menschen auf die Straße, um gegen die USA zu protestieren. In Tunis hatten rund 300 Extremisten versucht, auf das Gelände der US-Botschaft vorzudringen.

In Teheran versammelten sich rund 500 Menschen vor der Schweizer Botschaft, die die Interessen der USA vertritt. Sie riefen "Tod den USA" und "Tod den Israelis". Einer der Teilnehmer sprach von einer "Kriegserklärung" gegen den Islam und die Muslime. Die USA und der Iran unterhalten keine diplomatischen Beziehungen.

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Im Gazastreifen verbrannten Demonstranten Fahnen der USA und Israels. In Kairo warf ein Extremist vier selbst gebaute Sprengsätze mit Nägeln und Schrauben auf das Gelände der deutschen Botschaft. Verletzt wurde aber niemand. Der Mann erklärte nach seiner Festnahme, Deutschland unterstütze Kräfte, die den Islam beleidigten. Die Bundesregierung verstärkt nun den Schutz ihrer Botschaften in einigen muslimischen Ländern. Einige Vertretungen erhielten zusätzliche Sicherheitsbeamte, erklärte Bundesaußenminister Guido Westerwelle. Er appellierte an die Regierungen von Ländern wie Ägypten und Libyen, diplomatische Vertretungen umfassend zu schützen.

Ägyptens Präsident Mohammed Mursi verurteilte die Übergriffe, forderte aber zugleich die US-Regierung auf, "ernsthafte Schritte" gegen den Mohammed-Film zu unternehmen. Der Film beleidige die Muslime, sei ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit und gefährde die Beziehungen zwischen den Völkern. "Das nehmen wir unter keinen Umständen hin", sagte Mursi. Er habe dies in einem Telefonat US-Präsident Barack Obama gesagt.

In Afghanistan erklärten die Taliban wahrheitswidrig, der Hetzfilm sei mit der ausdrücklichen Erlaubnis der US-Regierung gedreht worden. Präsident Hamid Karsai erklärte, dieser Film stelle eine Gotteslästerung dar und könne noch zu vielen Todesopfern führen.