Al-Qaida instrumentalisiert die Frustration vieler Muslime

Dem antiamerikanischen Aufruhr im Nahen und Mittleren Osten liegen im Wesentlichen drei Ursachen zugrunde. Erstens trifft der in den USA produzierte, den Propheten Mohammed schmähende Hetzfilm auf eine amerikafeindliche Grundstimmung, an der auch das Verdienst der USA am Sturz von Libyens Diktator Gaddafi wenig ändert. Zu lange hatte Washington derartige Tyrannen gestützt. Zudem gibt es in jenen Teilen der muslimischen Welt, die nicht zuletzt aufgrund mangelnder Toleranz immer weiter hinter den Westen zurückfallen, eine diffuse, aber gefährliche Mischung aus Neid und Bewunderung.

Zweitens hat die Arabellion bislang nicht die wirtschaftliche Lage der Menschen in der Region verbessern können, eher ist das Gegenteil der Fall. Die dumpfe Wut im Volk ist ein soziales Pulverfass, das jederzeit durch geschickte Manipulation in die Luft gejagt werden kann. Es ist einfacher, den Einflüsterungen radikalislamischer Demagogen des Schlages al-Qaida zu folgen, nach denen das Ausland am Elend der arabisch-muslimischen Welt schuld sei, als eigene Versäumnisse aufzuarbeiten. So erklärt sich auch der undurchsichtige Kurs des ägyptischen Präsidenten Mursi, eines Muslimbruders, in dieser Krise. Al-Qaida hat die Proteste gegen den Film offenbar als Deckung für einen ohnehin geplanten Racheakt für die Tötung eines libyschen Al-Qaida-Führers genutzt.

Drittens liegt im Protest gegen den Hetzfilm ein grundsätzliches Missverständnis vor. Jenen Millionen Muslimen von Libyen über Ägypten bis zum Iran, die seit Jahrzehnten in einer Diktatur gelebt haben oder leben, ist nicht begreiflich zu machen, dass ein derartiger Film ohne Billigung oder Mitwirkung staatlicher US-Stellen entstanden sein kann. Der erste Verfassungszusatz der USA garantiert Religions- und Meinungsfreiheit. Selbst dann, wenn diese Meinung, wie im vorliegenden Fall, auch die US-Regierung äußerst erzürnt.