Der russische Präsident verdient offiziell 100.000 Euro im Jahr. Seine Gegner bezweifeln das, allein die Uhrensammlung soll teurer sein.

Der Bericht ist nur 32 Seiten stark und voller bunter Bilder. Prachtvolle Villen und Sommerhäuser, teure Uhren, Flugzeuge und Hubschrauber. Dies gehört alles zum Luxusleben des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Das behaupten jedenfalls die Autoren der Broschüre, Oppositionspolitiker Boris Nemzow und Leonid Martynjuk. Ihr Dossier trägt den Titel: "Das Leben eines Galeerensklaven: Paläste, Yachten, Autos, Flugzeuge und anderes Zubehör".

Ein kleiner Seitenhieb, denn vor vier Jahren hat Putin gesagt: "Acht Jahre lang schuftete ich wie ein Galeerensklave und gab alle meine Kräfte. Ich bin mit den Ergebnissen meiner Arbeit zufrieden." Die Autoren des Berichts sehen das anders. Putin klammere sich an die Macht, auch weil er sich an Reichtum und Luxus gewöhnt habe und darauf nicht verzichten wolle, schreiben sie in der Einleitung.

Sein Einkommen beträgt offiziell etwa 100 000 Euro im Jahr. Putins Pressesprecher Dmitri Peskow wies bereits vor der Präsentation des Berichts alle Vorwürfe zurück. Putin benutze nur Staatseigentum, er sei sogar verpflichtet, bestimmte Objekte zu nutzen, sagte Peskow der Zeitung "Kommersant".

Boris Nemzow hat schon in ähnlichen Berichten die Vetternwirtschaft Putins angeklagt: "Putin. Bilanz" oder "Putin. Korruption". Seine neue Publikation ist eher populistisch gestaltet. Eine Grafik weist die seit 1999 sinkende Anzahl von Schulen und Krankenhäusern in Russland aus, während die gegenüberliegende Seite ein Foto der prachtvollen Präsidialresidenz Nowo-Ogarjowo bei Moskau mit Schwimmbad, Pferdestall und Hubschrauberlandeplatz ziert.

Insgesamt stehen Putin 20 Paläste, Villen und Residenzen zur Verfügung, neun davon sind unmittelbar während seiner Regierungszeit entstanden, schreiben die Autoren. Der Präsident benutze eine Flotte von 43 Flugzeugen und 15 Hubschraubern, die insgesamt eine Milliarde US-Dollar kosten. Die private Uhrensammlung von Putin schätzt Nemzow auf etwa 550 000 Euro. Normalerweise müsse er dafür sechs Jahre arbeiten. Die Autoren berufen sich auf Medienberichte.

Von den 20 aufgezählten Palästen und Villen befinden sich 14 tatsächlich im Staatseigentum und dienen offiziell als Residenzen des Präsidenten oder des Premiers. Die sechs übrigen Häuser stehen nicht in Verbindung zum Präsidenten, die Präsidialverwaltung hatte das auch mehrfach bestritten.

Bemerkenswert ist die Geschichte des Ferienhauses in Gelendschik am Schwarzen Meer. 2010 schrieb der in die USA ausgewanderte Unternehmer Sergei Kolesnikow einen offenen Brief an Dmitri Medwedew, in dem er über den "Palast" erzählte, der angeblich für Putin persönlich an der Küste gebaut und durch intransparente Geschäfte finanziert wurde.

Den Wert des Hauses schätzte Kolesnikow auf eine Milliarde US-Dollar. Von drei Hubschrauberlandeplätzen, einem Kasino und umfangreichen Sicherheitsanlagen war die Rede. Die Zeitung "Nowaja Gaseta" veröffentlichte später Baudokumente, die von hohen russischen Beamten unterschrieben worden waren.

Offiziell gehörte die Villa dem Unternehmer Nikolai Schamalow, einem Freund Putins. Im März 2011 wurde der "Palast" für 250 000 Euro verkauft. Der neue Besitzer Alexander Ponomarenko macht Immobiliengeschäfte zusammen mit Arkadi Rotenberg, Putins Jugendfreund. Obwohl die Medien keine belastbaren Beweise fanden, wurde das Haus seinen Namen nicht mehr los: "Putin-Palast".

Die Gerüchte, dass das eine oder andere prachtvoll aussehende Gebäude "Putins Datscha" sei, entstehen in Russland immer wieder, oft haben sie mit der Realität wenig zu tun. So waren Einwohner des Dorfes Chabarowka am Altai-Gebirge lange sicher, dass in ihrer Region ein weiterer Palast für den Präsidenten entstehen sollte. Doch es stellte sich heraus, dass der Öl- und Gaskonzern Gazprom hier einen Hotelkomplex bauen ließ. Die Zeitschrift "Dengi" berichtete, dass die Dorfbewohner versuchten, ihre Häuser zu überteuerten Preisen zu verkaufen, und begründeten dies mit der angeblich prominenten Nachbarschaft.

Gerüchte, immer wieder Gerüchte, aber keine Beweise. Die ersten Vorwürfe wurden Anfang der 90er-Jahre laut, als eine Kommission unter der Leitung der St. Petersburger Abgeordneten Marina Salje zu dem Schluss kam, dass Wladimir Putin während seiner Arbeit in der Stadtverwaltung Rohstoffe für etwa 100 Millionen US-Dollar verkauft statt Lebensmittel für die Bevölkerung gekauft hatte. Doch die Staatsanwaltschaft weigerte sich, in dem Fall zu ermitteln. Als Putin im Jahre 2000 zum Präsidenten gewählt wurde, zog Salje in ein Dorf, in dem sie bis zu ihrem Tod im Sommer 2012 lebte.

Im Jahr 2007 zählte der Politologe Stanislaw Belkowski Putin zu den reichsten Menschen der Erde und schätzte sein Vermögen auf 40 Milliarden US-Dollar. Putin habe Kontrolle über 4,5 Prozent der Gazprom-Aktien sowie einen 37-Prozent-Anteil des Energieversorgers Surgutneftjegas, sagte Belkowski der "Welt" und fügte später im britischen "Guardian" hinzu, dass Putin 75 Prozent des Ölhandelsunternehmens Gunvor kontrolliere, das de jure seinem Freund Gennadi Tim-tschenko gehört.

Die Unternehmen widersprachen diesen Aussagen, und Beweise für seine Vorwürfe hat Belkowski auch nie vorgelegt. Heute sagt er: "Vor Gericht könnte ich das nachweisen." Die genaue Summe habe sich lediglich entsprechend des Marktwerts der Unternehmen geändert. "Das Problem ist, dass man das Vermögen Putins vom Reichtum seiner Geschäftspartner nicht trennen kann. Formell ist Wladimir Putin wahrscheinlich kein Eigentümer dieser Anteile, aber faktisch werden sie von ihm kontrolliert", sagt Belkowski.

Tatsächlich geht es Wladimir Putin wohl viel weniger um den äußerlichen Luxus als um die Kontrollmöglichkeiten sowohl in der Politik als auch in der Wirtschaft. Insofern wird es immer schwierig bleiben, sein tatsächliches Vermögen zu messen, seien es indirekte Anteile an Offshore-Gesellschaften oder informelle geschäftliche Vereinbarungen.

Was dennoch sichtbar ist: der Einfluss von "Putins Garde" in der Wirtschaft. Die russische Ausgabe des Magazins "Forbes" veröffentlichte eine Rangliste von zehn engen Freunden des Präsidenten, die hohe Kommandoposten in der russischen Wirtschaft bekleiden. Sie verwalten sechs der zehn größten russischen Unternehmen, deren Gewinn mehr als ein Fünftel des russischen Bruttoinlandsprodukts beträgt: Rosneft, Gazprom, die Eisenbahn, Sberbank, Transneft.

Zu Putins Freunden gehören etwa Juri Kowaltschuk, den der Präsident seit seiner St. Petersburger Zeit kennt. Er kontrolliert die Nationale Mediengruppe, der Anteile an mehreren russischen Fernsehsendern und Zeitungen gehören. Die Unternehmen von Arkadi Rotenberg, Putins Judo-Partner, bekamen lukrative Bauaufträge von Gazprom. Die Frage, ob und inwiefern Putin persönlich davon profitierte, bleibt offen.

Kaum einzuschätzen ist auch, was Russland mehr schadet: Putins vermuteter Reichtum oder die gegenseitige Abhängigkeit zwischen ihm und seiner Umgebung.

"Die Kernfrage ist nicht nur die Figur von Wladimir Putin, sondern die Änderung des politischen und wirtschaftlichen Systems", sagt der Politologe Belkowski. "Wenn die Opposition auch weiter alles auf eine Dämonisierung von Putin reduzieren wird, macht sie einen Fehler."