Früherer Schachweltmeister soll bei seiner Festnahme einen Polizisten gebissen haben

Moskau. Die Verurteilung von drei Musikerinnen der russischen Punkband Pussy Riot löst weiter weltweit Kritik und Empörung aus. Wegen seines Protests gegen das Urteil droht nun auch dem früheren Schachweltmeister Garri Kasparow eine Anklage wegen Gewalt gegen Gesetzeshüter, meldete die Nachrichtenagentur Interfax. Ihm drohen nach seiner Festnahme am Rande der Urteilsverkündung bis zu fünf Jahre Haft, weil er einen Polizisten gebissen haben soll. Kasparow erwägt nun seinerseits eine Anzeige gegen die Polizisten, die ihn am Freitag vor dem Gebäude des Moskauer Chamowniki-Gerichts festgenommen hatten.

Dort waren die Punk-Musikerinnen wegen einer Protestaktion gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin in der Moskauer Erlöser-Kathedrale zu je zwei Jahren Haft verurteilt worden. Hunderte Anhänger der Gruppe protestierten gegen den Prozess. Die Polizei nahm mehrere Dutzend Demonstranten fest, darunter neben Kasparow auch den linken Oppositionsführer Sergej Udalzow.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) kritisierte das Urteil. "Zwei Jahre Haft für politischen Protest und ein Punk-Gebet in einer Kirche - diese Strafe ist zu hart", schrieb er in einem Beitrag für die Onlineausgabe der "Bild"-Zeitung. Westerwelle räumte ein, die Musikerinnen hätten mit ihrer Aktion religiöse Gefühle verletzt, aber ein starkes Land wie Russland müsse so viel künstlerische Freiheit aushalten. Das Urteil sei "leider ein Signal der Einschüchterung", schrieb er.

Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning (FDP), forderte, künftige Sportgroßereignisse in Russland zu nutzen, um auf das Schicksal von Regimegegnern aufmerksam zu machen. "In zwei Jahren sind in Russland Olympische Spiele, vier Jahre später die Fußball-WM - beides darf nicht zu einer Propagandashow für Präsident Putin werden", sagte Löning der "Bild am Sonntag".

Erstmals forderte ein prominenter Regierungsgegner den Westen zu Sanktionen gegen Putin und dessen "korruptes Umfeld" auf. Mit Wahlen könne der Kremlchef nicht besiegt werden, da er die Abstimmungen kontrolliere, sagte der Blogger Alexej Nawalny dem "Spiegel". Nawalny sagte, er sei zu einer stärkeren Führungsrolle bereit.

Pussy Riot veröffentlichte noch vor der Urteilsverkündung einen neuen Protestsong gegen Putin. Ein Mitglied der mindestens zehnköpfigen Gruppe, das der Verhaftung bei der Protestaktion Ende Februar entkam, spielte das Lied vom Balkon eines Wohnhauses gegenüber dem Gerichtsgebäude, wo das Urteil gegen die drei jungen Frauen verlesen wurde.

Die Russisch-Orthodoxe Kirche hat den verurteilten Musikerinnen nach Angaben ranghoher Würdenträger vergeben. Das habe die Kirche bereits unmittelbar nach dem Punk-Gebet der drei Sängerinnen getan, sagte der Leiter des Moskauer Sretenski-Klosters, Tichon Schewkunow, im russischen Staatsfernsehen.