Die Religiösen gaben den Ausschlag für Bush. Kerrys Rechnung mit den jungen Wählern ging nicht auf. Jetzt ist das Volk zutiefst gespalten.

Washington. Rechtsanwalt Barney Peters aus San Diego bekennt: "Ich bin total niedergeschlagen." Und Jean Wiener, Lehrerin aus Bethesda, hat sich sogar krank gemeldet. "Der Magen." Bei Wählern und Unterstützern der Demokratischen Partei sitzt das Entsetzen über den Wahlsieg von Präsident George W. Bush tief. Im Lager der Konservativen hingegen ist der Jubel grenzenlos. "Amerika hat aufgeschrien, und der Herr im Himmel hat unsere Gebete erhört. Gelobt sei Gott!" schrieb Jim Rogers von der christlich-fundamentalistischen Organisation "Mission America" per E-Mail an Gleichgesinnte.

Kein Zweifel, die amerikanische Gesellschaft ist tief zerrissen. Auf der politischen Landkarte der USA wird das deutlich: Bush gewann die ganzen Süd- und Mittelstaaten, sein unterlegener Herausforderer John Kerry konnte fast nur im Nordosten und an der Westküste punkten. "Das Land ist kulturell gespalten wie seit Jahrzehnten nicht mehr", sagt der Historiker Michael Beschloss.

Nach einer Umfrage des Fernsehsenders CNN stimmt die Aussicht auf vier weitere Jahre unter Präsident Bush 51 Prozent der Amerikaner "optimistisch" (das entspricht dem Stimmenanteil für Bush bei der Wahl), 25 Prozent sind "pessimistisch", und 24 Prozent sehen der Zukunft sogar "mit großer Angst" entgegen. Ein Resultat dieser Polarisierung war die für amerikanische Verhältnisse sehr hohe Wahlbeteiligung. Mehr als 120 Millionen Bürger - knapp 60 Prozent der Wahlberechtigten - stimmten ab. Nur 1968, in der Wahlschlacht zwischen dem Demokraten Hubert Humphrey und dem Republikaner Richard Nixon, lag die Quote mit 61,9 Prozent etwas höher.

Beide Parteien hatten von Anfang an gesagt, daß die Wahlbeteiligung diesmal entscheiden würde, und sie sollten recht behalten. Trotzdem gab es Überraschungen. Denn die Demokraten hatten fest damit gerechnet, daß sie die Wahl mit den Stimmen vieler Jugendlicher und der oft von den Konservativen benachteiligten Minderheiten gewinnen könnten. Diese Rechnung ging nicht ganz auf. Zwar wählten viele junge Leute und auch eine überproportional große Zahl an Afro-Amerikanern und Latinos, sie wurden jedoch von einer Bevölkerungsgruppe in fast jedem Staat übertrumpft: den konservativen Christen.

Richard Viguerie, ein Aktivist der "Religiösen Rechten", sagt euphorisch am Tag danach: "Der Präsident und Amerika sollten sich darüber im klaren sein, daß die konservativen Christen diese Wahl für George W. Bush und die republikanische Partei gewonnen haben." Viguerie erwartet eine "konservative Revolution" für die zweite Amtszeit von Bush.

Dieser Wunsch der einen Seite ist die große Angst der anderen. Auch politische Experten sind sich einig, daß die "Evangelikalen" die Wahl diesmal zugunsten von Bush entschieden haben und nun ihre Belohnung dafür erwarten. Das machen auch Ellie Johnson und ihr Mann Larry, beide tiefgläubige Christen, deutlich. "Wir hoffen sehr, daß es in der zweiten Amtszeit von Präsident Bush ein verfassungsmäßiges Abtreibungsverbot und ein gesetzlich geregeltes Verbot der Homo-Ehe geben wird", meint Ellie Johnson.

Es kann keinen Zweifel geben, daß Bush, selbst ein überzeugter Christ, in den nächsten Jahren mächtig Druck von der "Religiösen Rechten" bekommen wird. Für Monica Larmer, die ihre Stimme John Kerry gegeben hat, ist der Tag danach so, als ob sie "aus einem bösen Traum erwachen würde". Die junge Lehrerin in Miami fürchtet am meisten, daß bei den Sozialleistungen das Rad der Geschichte in den nächsten Jahren "um mindestens 30 Jahre" zurückgedreht werden wird.

Diese Angst teilt sie mit den meisten Demokraten. Auch John Kerry hat Sorge und vor einer weiteren Polarisierung des Landes gewarnt. Vor vier Jahren hatte der Demokrat und Vizepräsident Al Gore 500 000 Stimmen mehr erhalten als George W. Bush, war jedoch anhand von Wahlmännerstimmen unterlegen gewesen. Diesmal hat Bush insgesamt rund 3,5 Millionen Stimmen mehr als sein Kontrahent Kerry. Das gibt ihm im Gegensatz zum Jahr 2000 ein klares Mandat.

Die große Frage ist nun, ob Bush dieses Mandat als einen Auftrag sieht, rigoros eine streng konservative republikanische Agenda durchzupeitschen oder zu versuchen, auch die 48 Prozent der Amerikaner zu vertreten, die ihn nicht gewählt haben.

Bei seiner Siegesrede am Mittwoch erklärte Bush: "Eine neue Amtszeit ist eine neue Gelegenheit, eine gemeinsame Basis zu finden." Der Republikaner versprach, daß er auch Präsident für die sein werde, die ihn nicht gewählt haben, und alles tun wolle, um sich deren "Vertrauen zu verdienen".

Polit-Experten sind jedoch sehr skeptisch, ob Bush wirklich viel Kraft darauf verwenden wird, das Land zu einen. George Edwards, Politologe an der Texas A&M University: "Das wird Bush mit Sicherheit nicht machen. Das ist nicht sein Stil. Er spricht manchmal moderat, aber folgt niemals mit Taten."

James Dobson, der Gründer von "Focus on The Family", einer konservativen evangelikalen Organisation, wäre auch sehr betrübt, wenn der Mann, dem er und Millionen seiner Glaubensgenossen ihre Stimme gegeben haben, plötzlich versuchen würde, "die Linken ins Boot zu holen". Dobson warnt eher unchristlich: "Wenn uns der Präsident enttäuscht, dann werden die Republikaner bei der nächsten Wahl den Preis dafür zahlen - das sollte er nie vergessen."