250 000 Syrer sind dem Bürgerkrieg entkommen. Die Grenzen zu den Nachbarländern sind vermint. Berlin stockt Hilfen auf.

Hamburg/Damaskus. Den Kindern fallen plötzlich die Haare aus, sie bekommen Hautausschlag. Das sind die Symptome für einen Schockzustand und ein Trauma. Und auch ihre Eltern zittern oft trotz 40 Grad Außentemperatur. Manche haben für den gefährlichen Weg über die Grenze von Syrien nach Jordanien ihr Vieh vorausgeschickt. Sicher ist sicher. Das Gebiet ist mit Tretminen übersät. Andere "reisen" legal aus. Die syrischen Grenzposten lassen sie einfach ziehen. Vielleicht dürfen sie auch gehen, weil das Regime von Baschar al-Assad fürchtet, dass sie sonst zu den Aufständischen überlaufen würden. Möglicherweise haben seine Leute aber auch längst die Kontrolle über die Grenzen verloren.

Viele fürchten in dem scheinbar endlosen Krieg des Diktators gegen das eigene Volk nicht nur um ihre Kinder. Sie haben auch Angst vor der Zwangsrekrutierung für Assads letztes Aufgebot. Die Lage der Flüchtlinge ist dramatisch. Dabei kommt allerdings die arabische Gastfreundlichkeit zum Tragen. "Die syrischen Flüchtlinge in Jordanien und im Libanon mieten sich größtenteils in privaten Haushalten ein Zimmer oder die Garage als Schlafplatz", sagte der Caritas-Mitarbeiter Achim Reinke im Abendblatt-Gespräch.

Auch "wilde Lager" seien entstanden. Die Menschen im Sechs-Millionen-Einwohner-Land Jordanien seien sehr gastfreundlich, obwohl sie selbst unter Schwierigkeiten wegen unzureichender Stromversorgung litten. Im Lager nahe der jordanischen Stadt Zaatari sind acht von zehn Flüchtlingen Frauen und Kinder. Es gibt viele Babys im Alter von unter einem Jahr. In ihrem Leben gibt es bislang nur Krieg. Bauern, Ärzte, Handwerker und Lehrer sind im Lager. "Die ganze Palette der syrischen Gesellschaft", so Reinke.

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Das Lager, sagte der Einsatzleiter des Technischen Hilfswerks (THW), Stephan Mack, sei so aufgebaut, dass man es jederzeit erweitern kann. Die deutschen Helfer kümmern sich um die Wasserversorgung. Insgesamt sei die Zeltstadt für bis zu 120 000 Menschen gedacht. Rund eine Million der 21 Millionen Syrer sind auf der Flucht im eigenen Land, schätzt das Uno-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR). 250 000 Syrer sollen sich bereits über die Grenze in die Nachbarländer gerettet haben.

Allein in der Nacht zu Mittwoch kamen 2400 Menschen in die Türkei, meldete die Nachrichtenagentur Anadolu. 50 000 Syrer flohen bislang ins nördliche Nachbarland. Gestern schickte der Verein Luftfahrt ohne Grenzen 41 Tonnen Hilfsgüter für die vom Bürgerkrieg betroffenen syrischen Flüchtlinge in die Türkei. Das Auswärtige Amt hat seine Syrien-Hilfe auf elf Millionen Euro aufgestockt.

Das Lager bei Zaatari wurde auf Wunsch des jordanischen Staates in den kargen Boden gesetzt. "Es ist die Ultima Ratio, solche Lager zu errichten", sagt Caritas-Mitabeiter Reinke. Die Zelte befinden sich mitten in der Wüste unter freiem Himmel. Aus Sicht der Caritas sind dezentrale Lösungen, also Privatunterkünfte, die beste Lösung. Dafür zahlen die Flüchtlinge sogar Miete.

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