Das Kräftemessen zwischen Opposition und Staatsführung im Iran verlagert sich hinter die Kulissen. Oppositionsführer Mir Hossein Mussawi will offenbar weiteres Blutvergießen bei Demonstrationen vermeiden und sucht Verhandlungen.

Hamburg/Teheran. Zusammen mit dem früheren Präsidenten Akbar Haschemi Rafsandschani traf er sich am Mittwoch mit mehreren hochrangigen Parlamentsabgeordneten, berichtete gestern die Nachrichtenagentur Fars. Rafsandschani ist Leiter des mächtigen Expertenrats im Iran.

Außerdem haben offenbar zahlreiche iranische Parlamentsabgeordnete eine Siegesfeier zur Wiederwahl von Präsident Mahmud Ahmadinedschad boykottiert. Von 290 eingeladenen Parlamentariern seien bei der Feier am Mittwochabend nur 105 erschienen, berichteten iranische Zeitungen. Auch Parlamentspräsident Ali Laridschani habe gefehlt. Allerdings seien viele Abgeordnete zurzeit in ihren Heimatprovinzen. Das Parlament gilt als Hort der Ahmadinedschad-Gegner.

Mussawi beklagte auf seiner Website, er werde massiv isoliert. Nach dem Verbot seiner Zeitung "Kalameh-Sabz" seien auch 25 Autoren seiner Website festgenommen worden. Mit 70 Professoren und anderen Akademikern, die Mussawi getroffen hatten, führten Mitarbeiter der Generalstaatsanwaltschaft anschließend "Gespräche".

Im Fall der getöteten iranischen Studentin Neda geht Irans konservative Presse nun zur Gegenoffensive über. Mehrere Zeitungen druckten Angaben der halbamtlichen Nachrichtenagentur Fars, wonach die Schuld nicht bei den Sicherheitskräften liege: Jemand habe "mit einer Schmuggelwaffe das Feuer in der Karegar-Straße eröffnet und eine der Kugeln traf Neda Agha-Soltan in den Rücken". Diese Art Waffen seien "über die westliche Grenze in den Iran geschmuggelt worden". Nedas Verlobter hatte gegenüber der BBC zuvor islamische Bassidji-Milizen für ihren Tod verantwortlich gemacht. Eine Zeitung, die Präsident Ahmadinedschad unterstützt, beschuldigte einen inzwischen ausgewiesenen britischen BBC-Reporter, er habe den Mord für seine Dokumentation in Auftrag gegeben.

Bundeskanzlerin Angela Merkel stellte sich gestern auf die Seite der iranischen Demonstranten. Auf der Islamkonferenz in Berlin sagte sie, "dass die Freiheit zur Demonstration etwas ganz Wichtiges" sei. Unklarheiten bei der Wahl müssten überprüft werden. Ein Großteil der in der Islamkonferenz vertretenen Muslime verurteilte "die Menschenrechtsverletzungen, deren Zeugen wir derzeit sind".