Nordkoreas neuer Machthaber trauert um seinen Vater Kim Jong-il. Der Übergang an der Staatsspitze scheint reibungslos zu klappen

Pjöngjang. Drei Tage nach dem Tod des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong-il hat sein jüngster Sohn und Nachfolgefavorit, Kim Jong-un, dem Vater am Sarg die letzte Ehre erwiesen. Das Staatsfernsehen zeigte gestern Standbilder, wie der Leichnam des Diktators in einem von roten und weißen Blumen umgebenen Glassarg aufgebahrt lag. Die Zeremonie fand im Kumsusan-Mausoleum statt, wo auch der einbalsamierte Leichnam von Kim Jong-ils Vater Kim Il-sung seit dessen Tod 1994 in einem Glassarkophag liegt. Kim Jong-un betrat begleitet von feierlicher Musik die Halle und verharrte einen Moment vor dem Sarg. Zusammen mit anderen Vertretern des Regimes schritt er dann um den Sarg herum. Die offizielle Trauerfeier ist für den 28. Dezember angesetzt. Ausländische Gäste sind dabei nicht erwünscht.

Kim erlag staatlichen Medienberichten zufolge am Sonnabend als Folge von Überarbeitung und Stress einem Herzinfarkt. Er wurde den offiziellen Angaben zufolge 69 Jahre alt.

Es mehren sich die Anzeichen, dass der Machtwechsel wohl reibungslos verlaufen wird, dass es in der einzigen kommunistischen Herrscherdynastie der Welt weder Unruhen noch einen vielfach im Ausland befürchteten Machtkampf geben wird. Auf Kim Jong-un als Nachfolger deutete auch die Beschreibung als "vom Himmel geboren" bei der amtlichen Nachrichtenagentur KCNA hin. Bislang war diese Bezeichnung seinem Vater Kim Jong-il und Staatsgründer Kim Il-sung vorbehalten. In der Zeitung der herrschenden Arbeiterpartei, "Rodong Sinmun", wurde Kim Jong-un zudem als "geistiger Pfeiler und Leuchtturm der Hoffnung" für Militär und Volk bezeichnet.

Ungeachtet der Spannungen auf der Koreanischen Halbinsel äußerte die südkoreanische Regierung der nordkoreanischen Bevölkerung ihr Mitgefühl. Die Regierung werde zwar keine offizielle Trauerdelegation nach Pjöngjang entsenden, sagte Südkoreas Vereinigungsminister Yu Woo-ik in Seoul. Man werde jedoch unter anderen Angehörigen des früheren südkoreanischen Präsidenten Kim Dae-jung erlauben, nach Nordkorea zu reisen. Kim Jong-il hatte 2009 nach dem Tod Kim Dae-jungs eine Delegation nach Seoul geschickt.

Chinas Staats- und Parteichef Hu Jintao stattete der nordkoreanischen Botschaft in Peking einen Kondolenzbesuch ab. Das mit Nordkorea befreundete Kuba ordnete Staatstrauer an.

Der Tod Kim Jong-ils hatte in der Region Sorgen vor einer gefährlichen Instabilität ausgelöst. Die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap berichtete, Nordkoreas Armee habe nach dem Tod Kims mehrere Einheiten von jährlichen Winterübungen wieder in die Kasernen zurückgerufen. Alle militärischen Einheiten in Nordkorea verstärkten zudem die Sicherheitsmaßnahmen, hieß es unter Berufung auf Militärkreise. Es gebe jedoch bislang keine ungewöhnlichen Bewegungen oder Anzeichen von Provokationen.

US-Präsident Barack Obama und der japanische Regierungschef Yoshihiko Noda erörterten telefonisch die Lage nach dem Tod Kims. Das berichtete die japanische Agentur Kyodo. Japan hatte unmittelbar nach Bekanntwerden des Todes von Kim den Sicherheitsrat einberufen. Die US-Regierung hat sich zunächst zurückhaltend zur Entwicklung in Nordkorea nach dem Tod von Staatsführer Kim Jong-il geäußert.

Seit mehr als 60 Jahren verbindet Nordkorea und die USA eine erbitterte Feindschaft. Zum Ende des Zweiten Weltkriegs standen US-Truppen im Süden Koreas, sowjetische Truppen waren in den Norden einmarschiert. 1950 eskalierte der Kampf der Systeme zwischen Ost und West zum Koreakrieg. Die in den Süden eingerückten Nordkoreaner wurden von einer Uno-Streitmacht unter US-Führung zurückgeschlagen. Bis 1953 starben bis zu 3,5 Millionen Menschen. Pjöngjang sieht sich immer noch im Kriegszustand mit Washington.

Seit 1953 stehen sich entlang der Waffenstillstandslinie am 38. Breitengrad Hunderttausende Soldaten gegenüber. Im Gelben Meer schließt sich eine von Nordkorea nicht anerkannte rund 200 Kilometer lange Seegrenze an. Pjöngjang nutzte das umstrittene Seegebiet für Machtdemonstrationen. Mehrfach gab es auch militärische Angriffe und Seegefechte zwischen nord- und südkoreanischen Streitkräften - mit Dutzenden Toten. Vor gut einem Jahr feuerte Nordkorea Dutzende Granaten auf die südkoreanische Insel Yeonpyeong. Als Reaktion auf Provokationen des Nordens hielten Südkorea und die USA mehrfach gemeinsame Seemanöver ab - gegen den Protest Nordkoreas, das auch mit Krieg drohte. Bei einer Eskalation auf der Halbinsel wären die USA direkt involviert: In Südkorea sind nach Schätzungen rund 30 000 US-Soldaten stationiert.

Auch das Atomprogramm des von den USA einst als "Schurkenstaat" bezeichneten Nordkorea sorgt für Besorgnis. Internationale Gespräche und das Angebot westlicher Wirtschaftshilfe konnten nicht verhindern, dass der mehrfach von Hungersnöten erschütterte Staat 2006 einen erfolgreichen Atomwaffentest meldete und 2009 Raketen erprobte, die bis in die USA fliegen können. Seit 2008 liegen die internationalen Verhandlungen zur Beendigung des Atomwaffenprogramms auf Eis. Zuletzt im Oktober führten Vertreter Pjöngjangs und Washingtons Sondierungsgespräche über eine Wiederaufnahme - ohne Ergebnis.