Als Bürgermeister von Paris soll er öffentliche Gelder abgezweigt haben. Mit 33 Jahren war er in die Politik gekommen, doch der französische Charmeur hinterließ eine magere Bilanz.

Paris. Erst 33 Jahre alt war Jacques Chirac als er in der Politik nach oben kam. Er beginnt als Stadtrat der Gemeinde Sainte-Féréole im Herzen Frankreichs. Mit wenigen Prinzipien aber untrüglichem Machtinstinkt ausgestattet, hält er sich von 1965 bis 2007 an den Schalthebeln der Macht. Nun ist er wegen illegaler Parteienfinanzierung während seiner Amtszeit als Pariser Bürgermeister zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Chirac wird als Mann der Kultur, aber auch als berüchtigter Schürzenjäger in Erinnerung bleiben. Sein politisches Erbe fällt eher dürftig aus.

„Wo ist mein Mann?“ – dies ist angeblich einer der häufigsten Sätze aus dem Munde Bernadette Chiracs. Nicht immer war der Gatte wegen dringender Amtsgeschäfte unauffindbar. Seine zahlreichen Seitensprünge sind legendär. Er habe es nicht übertrieben, sagte er seinem Biografen Pierre Péan. „Mit den Mädchen, das ging im Galopp“, konstatierte dagegen die adelige Bernadette. Als Prinzessin Diana 1997 in Paris tödlich verunglückte, blieb der Staatspräsident die ganze Nacht unauffindbar. Woher sie denn wissen solle, wo sich ihr Gatte aufhalte, sagte die aus dem Bett geklingelte Bernadette damals laut einschlägigen Enthüllungen. Zuletzt zeugten die formvollendeten Handküsse für Kanzlerin Angela Merkel vom Charme des Staatsmanns.

Neben den amourösen Abenteuern ist das Privatleben der Chiracs nicht ohne Schicksalsschläge geblieben. Eine der beiden Töchter, Laurence, leidet seit dem Alter von 15 Jahren an Magersucht, die Hirnschäden verursachte. Es gab Zeiten, da setzte sich Chirac nach dem offiziellen Mittagessen noch mit ihr an den Tisch, weil sie ohne den Papa die Nahrungsaufnahme verweigerte. „Das ist das Drama meines Lebens“, sagte er gegenüber Péan. „Vielleicht hat man am Anfang nicht genug unternommen, vielleicht hätte ich mehr tun müssen.“ Die Chiracs nahmen 1979 auch die Vietnamesin Anh Dao Traxel auf, die am Pariser Flughafen gestrandet war. In ihrer Autobiografie beschrieb Anh Dao ihren Ziehvater als warmherzig und fürsorglich.

Wenn es um seine politische Bilanz geht, fällt das Urteil weniger wohlwollend aus. Chirac war Staatssekretär, Minister, Premierminister, Bürgermeister von Paris und schließlich zwei Amtszeiten lang Präsident. Dennoch ist „kein substanzielles Erbe für künftige Generationen“ entstanden, schreibt Franz-Olivier Giesbert in seinem Erfolgsbuch „Die Tragödie des Präsidenten“.

Der fehlende Mut zu Reformen, Vetternwirtschaft, keine wirtschaftspolitische Orientierung, wegen all dessen wurde Chirac zum Symbol für die Erstarrung Frankreichs. Spätestens seit der Niederlage beim EU-Verfassungsreferendum galt er als politisch erledigt. Die Unruhen in den Vorstädten und die Massenproteste gegen die Arbeitsmarktreform überschatteten die letzten Amtsjahre.

Was bleiben wird ist sein weitsichtiger Widerstand gegen den Irak-Krieg. Zu seinen größten Verdiensten gehört auch, dass er die Mitschuld Frankreichs an der Deportation der Juden während des Zweiten Weltkrieges anerkannte. Und er führte einen Gedenktag ein, um an die Verantwortung an den Sklavenhandel zu erinnern. Als Staatsmann vollzog er eine Wende vom Rechtspopulisten zum Fürsprecher für Toleranz und Völkerverständigung. Nicht zuletzt hat sich Chirac als Kunstliebhaber verewigt: Mit dem Musée Branly bescherte er den Parisern eines der schönsten Museen. Dort hat er den alten, außerwestlichen Kulturen eine neue Heimat geschaffen.

Nach dem Ende seiner Amtszeit als Präsident im Frühjahr 2007 gründete er ein Jahr später die Fondation Chirac. Die Stiftung, deren Präsident er bis heute ist, hat sich zur Aufgabe gemacht, in den ärmsten Ländern der Welt Konflikte zu schlichten und den Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser und Medikamenten zu verschaffen. (dapd)