Frankreichs Ex-Präsident steht wegen Gefälligkeitsjobs vor Gericht. Nun muss aber erst eine Verfassungsfrage entschieden werden.

Paris. Nach nur einem Tag ist der Prozess gegen den französischen Altpräsidenten Jacques Chirac vertagt worden. Der Vorsitzende Richter Dominique Pauthe sprach sich am Dienstag dafür aus, das Verfahren um den 20. Juni herum fortzusetzen. Der 78-jährige Chirac muss sich als erster Staatschef Frankreichs vor Gericht verantworten, weil er in den 90er Jahren als Bürgermeister von Paris Scheinarbeitsstellen einrichtete.

Der Anwalt eines der neun Mitangeklagten sieht das Vergehen als verjährt an und stellt deshalb die Verfassungsmäßigkeit des Prozesses in Frage. Darüber muss nun das Kassationsgericht entscheiden, das dafür theoretisch drei Monate Zeit hat. Es kann die Frage dann an den Verfassungsrat weiterreichen, der sich ebenfalls drei Monate lang damit befassen kann.

Das Gericht wolle aber nicht so lange warten und peile den 20. Juni für eine Fortsetzung an, sagte Pauthe. Im Verfassungsrat hat auch Chirac selbst einen Sitz, den er allerdings während des Prozesses nicht wahrnimmt.

Der Altpräsident, der gesundheitlich angeschlagen wirkt, muss nun nicht wie geplant am Mittwoch im Gerichtssaal erscheinen. Sein Anwalt Georges Kiejman erinnerte daran, dass sein Mandant nicht die Verfassungsmäßigkeit des Verfahrens angezweifelt habe.

Die Anti-Korruptionsorganisation Anticor, die als Nebenkläger auftritt, hatte bereits vor der Entscheidung auf die politische Dimension des Prozesses hingewiesen. „Man hat keine Lust, einen ehemaligen Präsidenten der Republik zu verurteilen. Man erkennt gut, um welche politischen Themen es eigentlich geht“, sagte der Anwalt Jérôme Karsenti.

Die Stadt Paris, auf deren Kosten die Scheinstellen gingen, hatte bereits im vergangenen Jahr ihre Klage zurückgenommen. Sie einigte sich mit ihrem früheren Bürgermeister und der konservativen Regierungspartei UMP auf eine finanzielle Entschädigung in Höhe von 2,2 Millionen Euro.

Chirac war von 1977 bis zur Präsidentschaftswahl 1995 Bürgermeister der französischen Hauptstadt. Zum Ende seiner Amtszeit Anfang der 90er Jahre soll er zusammen mit ehemaligen Mitarbeitern 28 nur auf dem Papier bestehende Stellen über das Rathaus abgerechnet haben. Unter anderem bezahlte die Stadt Paris auch Parteifreunde des Bürgermeisters, die bei der RPR – der Vorgängerpartei der heute regierenden UMP – seinen Wahlkampf vorbereiteten.

Im Vorfeld des Verfahrens hatte es Zweifel gegeben, ob Chirac den Prozess gesundheitlich durchstehen könnte. Der Altpräsident wirkte in den vergangenen Monaten müde und kränklich, selbst seine Frau Bernadette gab zu, er sei „nicht mehr ganz der Alte“. Alzheimer habe ihr Mann jedoch nicht, betonte die frühere First Lady im Januar, als das Gerücht aufkam. (afp)