Schon wenige Stunden nach Ende der Konferenz in Durban sagte Kanadas Umweltminister Peter Kent, der Vertrag sei für Kanada “ein Ding der Vergangenheit“.

Hamburg. Auch ein Zeitpunkt kann Symbolpolitik sein. Nur ein Tag zuvor war die Klimakonferenz der Weltgemeinschaft im südafrikanischen Durban zu Ende gegangen. Es waren zähe Verhandlungen, bis in die Nacht saßen die Politiker zusammen, Pressekonferenzen wurden verschoben, dann erst stand ein neues Abkommen zum Kampf gegen die Erderwärmung. Einigkeit herrschte auch über eine Verlängerung des Kyoto-Protokolls bis 2017, mit dem sich Industriestaaten wie Deutschland verpflichten, ihre Klimagas-Emissionen bis 2012 um 5,2 Prozent unter das Niveau von 1990 zu senken.

Doch schon wenige Stunden nach Ende der Konferenz in Durban sagte Kanadas Umweltminister Peter Kent, der Vertrag sei für Kanada "ein Ding der Vergangenheit". Sein Land zieht sich aus dem Abkommen zurück. Damit ist Kanada, das zweitgrößte Land der Welt, das erste, das dem Klimaschutzabkommen noch vor dessen Ablauf im Dezember 2012 den Rücken kehrt.

In Durban beschlossen die Politiker bis 2015 ein neues Klimaabkommen auszuhandeln, das auch Ziele für die USA, China und Indien vorsehen soll. So lange aber gelten die Vorgaben von Kyoto weiter. Doch Kanada macht nicht mit. Das Land sollte seine Emissionen um rund sechs Prozent reduzieren. Stattdessen stiegen die Emissionen stark an. 2010 lagen sie 35 Prozent höher als 1990.

Kanadas Umweltminister Kent gab folgende Begründung für den Rückzug: Das Kyoto-Protokoll beziehe die USA und China, die beiden Länder mit dem größten Ausstoß von Treibhausgasen, nicht mit ein und könne deshalb nicht funktionieren. Kanada ist für rund zwei Prozent der weltweiten Treibhausgase verantwortlich, China und die USA zusammen für knapp 50 Prozent. Auch Russland und Japan wollen keine neuen Ziele bis 2017 oder 2020 akzeptieren. Die Länder, die sich noch zum Kyoto-Prozess bekennen, stoßen nur 15 Prozent der globalen Treibhausgase aus.

Doch es gibt auch ganz andere Beweggründe für Kanadas Austritt aus dem Abkommen: Bliebe das Land in dem Vertrag, würde die Nichteinhaltung der Ziele das Land teuer zu stehen kommen. 14 Milliarden Dollar - mehr als zehn Milliarden Euro - werde man nun sparen, erklärte Minister Kent.

Die Milliarden sind allerdings keine Strafe. Denn vorgegebene Geldstrafen sind im Vertrag nicht vereinbart. Kanada müsste aber teure Zertifikate im internationalen Emissionshandel kaufen, um eine ausgeglichene Klimabilanz vorweisen zu können.

Es sei völlig unstrittig, dass alle Staaten jederzeit aus dem Vertrag aussteigen können, sagte der Potsdamer Völkerrechtler Prof. Andreas Zimmermann dem Hamburger Abendblatt. Dass andere Staaten dem Beispiel Kanadas folgen werden, hält er jedoch für unwahrscheinlich. "Für alle EU-Staaten wäre es politischer Selbstmord."

Auch das deutsche Umweltministerium reagierte gelassen - und verwies darauf, dass Kanada schon länger einen Austritt aus dem Protokoll angekündigt hatte. Umweltschützer und die Grünen nahmen die Nachricht weniger entspannt auf. Grünen-Chefin Claudia Roth verurteilte den Austritt Kanadas scharf. Es sei eine "verhängnisvolle Flucht aus der Verantwortung", sagte sie dem Abendblatt. Als zynisch bezeichnete sie, dass Kanada den Ausstieg damit begründe, dass "das Kyoto-Protokoll der falsche Weg sei". Kanada wolle sich vor der Strafe drücken, die fällig geworden wäre, da kaum Anstrengungen im Klimaschutz unternommen wurden.

Gleichzeitig kritisierte die Vorsitzende der Grünen die Politik von Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) und die Ergebnisse des Klimagipfels im südafrikanischen Durban. "Dieses Ausscheren von Kanada zeigt auch, dass Durban trotz der Beschönigungsversuche von Umweltminister Röttgen alles andere als ein großer Erfolg für den Klimaschutz war." Es sei nötiger denn je, dass sich "die Vorreiter für einen wirkungsvollen Klimaschutz jetzt zu einer Koalition der Verantwortung zusammentun und den Prozess voranbringen", ergänzte Roth. Diese Vorreiter sieht Roth im Vorteil auf einem globalen Markt, auf dem Zukunftstechnologien und erneuerbare Energien immer wichtiger werden. "Anti-Klimaschutz-Dinosaurier wie etwa Kanada werden hinterherhinken und auch wirtschaftlich das Nachsehen haben." Vielleicht lohnt sich der Austritt aus dem Kyoto-Abkommen am Ende für Kanada also doch nicht - auch nicht finanziell.