Damit keine zehn Milliarden Euro Strafe fällig werden, kündigt Kanada den Klimaschutz

Als 1997 beim Uno-Klimagipfel im japanischen Kyoto das erste Vertragswerk verabschiedet wurde, das den CO2-Ausstoß der Industriestaaten verbindlich begrenzte, waren die Reaktionen gespalten. Die einen bemängelten, das Ziel - den Gesamtausstoß dieser Länder bis 2012 um fünf Prozent zu senken - sei viel zu schwach. Die anderen freuten sich, dass sich die Weltgemeinschaft ein Vertragswerk geschaffen habe, das die Basis für allmählich strenger werdende Klimaschutzvorgaben bilden könne. Spätestens mit dem Ausstieg Kanadas aus dem Kyoto-Protokoll sind beide Ziele dahingeschmolzen wie das Eis in der wärmer werdenden Arktis.

Als wäre das Kyoto-Protokoll nicht schon genug gerupft worden. Der bis Mitte vergangenen Jahrzehnts größte Klimasünder, die USA, hatte sich ihm nie unterworfen. Und der heutige Weltmeister China wurde 1997 als Entwicklungsland beim Kyoto-Protokoll außen vor gelassen. Seit Jahren zeigen andere Nationen bei den Uno-Konferenzen auf diese beiden Länder, wenn sie begründen wollen, weshalb sie selbst zum internationalen Prozess wenig beizutragen haben. Die Folge: Trotz zunehmend detaillierter und abgesicherter Warnungen aus der Wissenschaft erwies sich die Weltgemeinschaft in den vergangenen Jahren - auch auf dem gerade zu Ende gegangenen Klimagipfel in Durban (Südafrika) - im Wesentlichen als handlungsunfähig, den kommenden Generationen annehmbare Lebensbedingungen zu sichern.

Immerhin gab es am Wochenanfang einen Hoffnungsschimmer. Denn die Delegierten hatten sich in Durban zumindest darauf geeinigt, bis zum Jahr 2015 ein Vertragswerk zu erarbeiten, das auch die weltgrößten Klimasünder einschließen soll. Doch kaum waren die Gipfelteilnehmer auf ihren Heimatflughäfen gelandet, da verhagelte gestern Kanada die vorweihnachtliche Stimmung.

Das Land trat offiziell aus dem Kyoto-Protokoll aus, weil dieses ohnehin "nicht zu einer globalen Lösung führt", so die Begründung. Da ist er wieder, der Fingerzeig auf die anderen.

Ein zweites Argument wiegt noch schwerer: Kanadas Austritt erspart dem Land eine Geldstrafe von umgerechnet gut zehn Milliarden Euro, weil es das im Kyoto-Protokoll vorgegebene Ziel eklatant verfehlt. Es gab vor, den durchschnittlichen Treibhausgasausstoß im Zeitraum 2008 bis 2012 um sechs Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. Schon 2010 lagen die kanadischen Emissionen jedoch etwa 35 Prozent höher als im Vergleichsjahr 1990.

Anders als in anderen Ländern hat der hohe Ölpreis zum Anstieg der Emissionen beigetragen. Denn er machte den Abbau von Schweröl, das vor allem in der Provinz Alberta in großen Mengen in Sandschichten eingelagert ist, lukrativ. Die Ölgewinnung aus diesen Teersänden kostet viel Energie und ist mit einem entsprechenden Ausstoß von Kohlendioxid verbunden.

Auf die Ausbeutung dieser sogenannten unkonventionellen Ölreserven will das Land nicht verzichten, schließlich lagern im kanadischen Boden (nach Saudi-Arabien und Venezuela) die drittgrößten Ölreserven der Welt. Vielleicht war es deshalb etwas naiv, in dem zweitgrößten Land der Erde einen potenziellen Mitstreiter im Klimaschutz zu sehen.

Das gestrige Signal aus Kanada an andere Länder ist jedenfalls fatal. Es lautet: Selbst wenn man in internationalen Abkommen Klimaschutzverpflichtungen eingeht, müssen diese noch lange nicht bindend sein. Vielmehr reicht es, aus dem entsprechenden Vertragswerk rechtzeitig auszusteigen, nämlich bevor endgültig abgerechnet wird und Strafen drohen.

Es bleibt zu hoffen, dass solche Eskapaden "nur" auf den Uno-Klimaschutz beschränkt bleiben und nicht bei anderen internationalen Vertragswerken Schule machen.