Der britische Premier David Cameron muss sich vor dem Parlament für sein Veto rechtfertigen, das auch in der Heimat auf harsche Kritik gestoßen ist.

London. Nicht nur Europa ist sauer, auch in der eigenen Heimat stößt Camerons Veto zu den EU-Vertragsänderungen nicht gerade auf Begeisterung. Ein Politologe machte jetzt einen ganz anderen Vorschlag.

Heute muss der Premier vor dem Parlament in London zu seinem Nein zu einer EU-Vertragsreform Stellung nehmen. Für den frühen Nachmittag stand die Erklärung des Regierungschefs zu den Gesprächen in Brüssel auf der Tagesordnung. Cameron hatte beim EU-Gipfel am vergangenen Freitag eine EU-Vertragsreform blockiert, mit der mehr Haushaltsdisziplin der Mitglieder geschaffen werden sollte.

Cameron ist inzwischen wegen seines Vetos in seiner Heimat weiter in die Kritik geraten. Nach seinem Vize und Koalitionspartner Nick Clegg äußerte sich auch Schottlands Regierungschef Alex Salmond kritisch zu dem Veto Camerons gegen eine Änderung der EU-Verträge. Cameron habe einen „groben Fehler begangen, als er offenkundig die gesamte Beziehung Großbritanniens zur EU geändert“ habe, schrieb Salmon dem Premier in einem Offenen Brief, aus dem die Agentur PA in der Nacht zum Montag zitierte. Salmond sah in dem Vorgehen Camerons weitreichende Auswirkungen auf die Beziehungen von Schottland, Wales und Nordirland zur EU. Cameron habe praktisch im Alleingang Großbritannien von Europa isoliert.

Auch aus Cardiff kamen kritische Worte. Dort bedauerte Carwyn Jones, Regierungschef von Wales, dass Großbritannien künftig nicht mehr an Gesprächen über die EU-Verträge beteiligt würde, obwohl diese Gespräche die Eurozone und „letztlich auch Großbritannien und Wales“ betreffen.

+++ Euro-Rettung entzweit Europa - Briten draußen +++
+++ Europa verstärkt seine Brandschutzmauern +++
+++ Nein zu Europa - Cameron in der Isolation +++

Politologe: EU-Austritt Großbritanniens möglich

Nach dem Nein zu einer EU-Vertragsreform hält der Londoner Politologe Anthony Glees einen Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union für möglich. „Wenn man nach 50 Jahren europäischer Zusammenarbeit immer noch skeptisch ist (...), dann ist man eigentlich nie für die Europäische Union zu gewinnen“, sagte Glees, Professor an der Buckingham University in London, am Montag im Deutschlandfunk.

In der EU sei es wie in einer Ehe: „In einer Ehe müssen beide Partner glücklich sein. Wenn einer nicht mehr will, dann ist die Ehe aus.“ Mit seiner EU-skeptischen Haltung stoße Premierminister David Cameron auf viel Zustimmung in der britischen Bevölkerung. „Das ist die große Gefahr für Europa, für Cameron, aber auch für Großbritannien.“

Vizepremierminister Clegg kritisiert Camerons Absage an EU-Vertrag

Der britische Vizepremierminister Nick Clegg hat Regierungschef David Cameron für dessen Haltung gegen Änderungen am EU-Vertrag kritisiert. Die Blockade des Premierministers sei „schlecht für Großbritannien“, sagte Clegg am Sonntag der BBC. „Jetzt besteht eine Gefahr, dass das Vereinigte Königreich innerhalb der Europäischen Union isoliert und marginalisiert wird.“ Großbritannien ziehe sich bereits „weiter an den Rand Europas“ zurück, sagte Camerons liberaldemokratischer Koalitionspartner.

Clegg hatte zuvor erklärt, er unterstütze die Entscheidung Camerons gegen eine engere Allianz mit den europäischen Partnern zur Rettung des Euros. Als ihm Cameron bei einem Telefongespräch um vier Uhr morgens davon erzählte, habe er seine Enttäuschung aber deutlich gemacht, sagte Clegg der BBC. „Ich habe klargestellt, dass es für mich unvertretbar ist, sie (die Entscheidung) zu begrüßen.“

Cameron hatte beim EU-Gipfel in der vergangenen Woche in Brüssel versucht, für ein britisches Ja zu Vertragsänderungen Vorteile für den Londoner Finanzplatz herauszuschlagen. Deutschland und Frankreich erteilten ihm aber eine Absage. Schließlich konnten sich die 17 Eurostaaten und sechs weitere EU-Länder am Freitagmorgen auf einen neuen Vertrag zur Gründung einer Fiskalunion einigen. Drei weitere EU-Staaten erklärten ihre Absicht, eine Mitwirkung in der Fiskalunion zumindest prüfen zu wollen.

Während sich die britischen Konservativen von Premierminister Cameron für mehr Distanz zur EU einsetzen, hat sich Clegg für engere Beziehungen zu Europa ausgesprochen. Der Liberaldemokrat kündigte an, alles in seiner Macht stehende zu tun, „um sicherzustellen, dass dieser Rückschlag nicht zu einer dauerhaften Kluft wird“.

Camerons Nein zu den Vertragsänderungen hatte nicht nur Zweifel aufkommen lassen, ob Großbritannien Mitglied der EU bleiben kann. Die Haltung des Premierministers sorgte auch für Spekulationen über die Überlebenschancen der britischen Koalitionsregierung, bestehend aus Konservativen und Liberaldemokraten.

Derartige Spekulationen wies Clegg am Sonntag zurück. „Es wäre sogar noch schädigender für uns als Land, wenn die Koalitionsregierung zerfallen würde“, sagte er. „Das würde ein wirtschaftliches Desaster für das Land auslösen, zu einer Zeit großer wirtschaftlicher Unsicherheit.“ (dapd/dpa)