Fiskalunion, Schuldenbremse und automatische Sanktionen gegen Defizitsünder – die wichtigsten Gipfelergebnisse aus Brüssel im Überblick.

Brüssel. Es war ein folgenschwerer Gipfel: Die Euro-Zone gibt sich einen neuen Vertrag mit bindenden Fiskalregeln. Großbritannien hat sich durch die Weigerung, den Plan mitzutragen, in die Isolation manövriert. Zusätzlich zu den neuen Regeln stärkt die Währungsunion ihre Brandschutzmauern zur Überwindung der Schuldenkrise. Ein Überblick über die wichtigsten Entscheidungen

Wer macht mit?

Es ist von einem Vertrag der 17 Euro-Zonen-Mitglieder (Belgien, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, Malta, die Niederlande, Österreich, Portugal, Slowakei, Slowenien, Spanien, Zypern) plus sechs die Rede. Die sechs sind Dänemark, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien und Bulgarien.

Wer könnte noch aufspringen?

Mittelfristig hoffen die Euro-Länder, dass bis auf Großbritannien schließlich alle übrigen EU-Staaten noch mitmachen werden. Tschechien, Schweden und Ungarn wollen erst ihre Parlamente befragen, bevor sie sich festlegen. Und auch Ungarn schließt ein Mitmachen nicht aus. Erklärtes Ziel ist es, am Ende auch die Briten noch an Bord zu holen, was eine Änderung des EU-Vertrags ohne einen neuen zwischenstaatlichen Vertrag ermöglichen würde. Kanzlerin Angela Merkel sah dafür am Freitag aber noch keine Anzeichen.

Warum dieser neue Vertrag?

Angesichts der Schuldenkrise und der hohen Verschuldung in vielen Ländern sind eine ganze Reihe EU-Staaten - allen voran Deutschland - davon überzeugt, dass angesichts der aktuellen Schuldenkrise solideres Haushalten in Europa nötig ist. Damit soll auch ein Signal an die Märkte gesetzt werden.

Da nicht alle Staaten sofort bereit waren, entsprechende Vertragsänderungen mitzutragen, die Euro-Länder angesichts der derzeitigen Vertrauenskrise aber keine Alternative sehen, gehen die 23 Staaten nun voran und wollen eine Fiskalunion gründen, in der sie die nötige Spardisziplin auch juristisch durchsetzen können.

Wie soll das funktionieren?

Über Schuldenbremsen in den nationalen Verfassungen. Alle 23 Staaten versprechen, ihre Haushalte in Balance zu halten und ihr von konjunkturellen Schwankungen bereinigtes Defizit (strukturelle Verschuldung) unter 0,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu halten. Diese Grenze darf nur im Ausnahmefall gerissen werden, beispielsweise wenn Staaten Maßnahmen zur Rezessionsbekämpfung starten müssen. Darüber, dass die Staaten diese Schuldenbremse auch in nationales Recht umsetzen, soll der Europäische Gerichtshof (EuGH) wachen. Außerdem soll es künftig automatische Strafen für Schuldensünder geben. Die Sanktionen zu stoppen wird deutlich schwerer. Reißt einer der Partner die Defizitgrenze von drei Prozent, gibt es automatische Konsequenzen. Gestoppt werden können die Sanktionen nur durch eine qualifizierte Mehrheit. Außerdem müssen die Staaten, die bei der neuen Fiskalunion mitmachen, gegenüber ihren Partnern schon im Vorfeld klare Ansagen darüber machen, wie viel Geld sie sich über die Ausgabe von Staatsanleihen besorgen wollen.

+++ Hintergrund: Das neue Europa der 17, 23, 26 oder 27 Staaten +++

+++ Eurogruppe soll zur Fiskalunion werden +++

Eurorettung auf Kosten der Einigkeit

Was wurde noch beschlossen?

Die Euro-Zone plant zusammen mit anderen Freiwilligen, den Internationalen Währungsfonds (IWF) mit bis zu 200 Milliarden zusätzlich auszustatten, mit denen dieser die innereuropäischen Brandschutzmauern verstärken könnte. Der permanente Rettungsfonds ESM soll ein Jahr früher als geplant die Nachfolge des europäischen Rettungsschirms EFSF antreten - nämlich sobald Mitgliedsländer, die 90 Prozent des Kapitals repräsentieren, den Vertrag ratifiziert haben. Angepeilt ist Juli 2012. Anders als der schnell installierte Rettungsschirm EFSF ist der ESM eine auf Dauer angelegte Organisation unter Regierungsführung. Ähnlich wie eine Bank verfügt er über eingezahltes Kapital und kann daher auf mehr Glaubwürdigkeit an den Finanzmärkten hoffen. Auch die Handlungsfähigkeit des ESM in Krisensituationen soll erhöht werden. Künftig soll eine Mehrheit von 85 Prozent des Kapitals Entscheidungen über finanzielle Hilfen treffen können. So soll verhindert werden, dass kleine Staaten schnelle Hilfe verzögern oder verhindern können. Um Unsicherheit über mögliche Beteiligungen des Privatsektors zu verringern, erklären die beteiligten Staaten das Vorgehen im Fall Griechenlands ausdrücklich zur Ausnahme. Künftig sollen in diesem Bereich Kriterien und Standards des IWF greifen. Das heißt, es wäre vom Einzelfall abhängig, ob es zu einem Schuldenschnitt kommt und nicht von vorgegebenen Regeln, wie es Deutschland ursprünglich durchgesetzt hatte.

In welchen Bereich gab es keine Einigung?

Es gab keine Entscheidung über eine Erhöhung der eigenen europäischen Bailout-Funds. Eine Entscheidung darüber stellten die Staats- und Regierungschefs für März in Aussicht, kurz bevor der ESM an den Start gehen soll. Der vom EU-Ratspräsidenten vorgelegte Entwurf der Erklärung sah zunächst auch vor, sich einen Fahrplan zur Einführung von Euro-Bonds vorzunehmen. Diese Passage wurde aber auf Druck Deutschlands gestrichen. Auch darüber, ob die EZB wie von einigen gefordert, künftig eine größere Rolle bei der Eindämmung der Krise spielen soll, gab es keine Einigung, ebenso wenig über stärkere Eingriffsrechte der EU-Kommission in die nationalen Haushalte. Auch die Hoffnungen einiger Staaten, bei der Stützung angeschlagener Banken auf EU-Rettungsgelder zurückgreifen zu können, erfüllten sich auf dem Gipfel nicht. (HA)