Die israelische Luftwaffe griff zunächst Stellungen im Gazastreifen an, wurde von dort aus anschließend mit mehreren Raketen beschossen.

Gaza/Tel Aviv. Neu aufkommende Gewalt zwischen Israelis und Palästinensern hat am Sonnabend mindestens sechs Menschen das Leben gekostet. Zahlreiche weitere Personen wurden verletzt, als zunächst die israelische Luftwaffe ein Trainingslager der Al-Kuds-Brigaden im Süden des Gazastreifens angriff und diese ihrerseits dann mit Rakatenangriffen auf Israel reagierten. Die Al-Kuds-Kämpfer sind ein bewaffneter Arm der militanten Organisation Islamischer Dschihad. Bei den Angriffen auf das Camp starben nach Medizinerauskünften fünf Menschen. Auch das ranghohe Al-Kuds-Mitglied Ahmed Scheik Kalil soll unter den Opfern sein. Drei weitere Personen wurden verletzt.

Beim Gegenangriff der Brigaden mit Grad-Raketen russischer Bauart wurde in der Hafenstad Schdod eine am Sonnabend leer stehende Schule getroffen. Fernsehbilder zeigten einen zwei Meter breiten und einen Meter tiefen Krater auf dem Schulhof. Zudem sei ein mehrstöckiges Wohnhaus von den Raketen getroffen worden. Mehrere Autos standen in Flammen. Treffer wurden aus Aschkelon und Gan Javne gemeldet. Die weiteren abgefeuerten Raketen und Granaten richteten keinen Schaden an und explodierten in offenem Gelände.

In zahlreichen Städten israelischen Städten wurde angeordnet, dass die Schulen am Sonntag, dem ersten Arbeitstag der jüdischen Woche, geschlossen bleiben sollten. Größere Veranstaltungen wurden abgesagt, darunter in der Wüstenstadt Beerscheva auch eine für Samstagabend geplante Kundgebung als Teil neuer, landesweiter Proteste gegen soziale Ungerechtigkeit.

Augenzeugen in Gaza berichteten auch von einer heftigen Explosion im Norden des Gebiets am Mittelmeer. Im Süden gab es bei einem zweiten israelischen Angriff unbestätigten Angaben zufolge einen weiteren Toten und zehn Verletzte. Unklar war, warum das neu installierte Raketenabwehrsystem der Israelis offenbar versagte.

Das israelische Militär teilte mit, der erste Angriff in Rafah mit fünf Toten habe einer Terrorgruppe gegolten, die schon vergangenen Mittwoch eine Grad-Rakete auf Israel abgefeuert hatte. Im Augenblick des Luftschlages seien die Angreifer gerade dabei gewesen, weitere Raketen abzufeuern. Die Grad-Raketen sind in Israel gefürchteter als die im Gazastreifen selbst gebauten Kleinraketen, die normalerweise auf Israel abgeschossen werden. Die Raketenwerfer russischer Bauart haben eine größere Reichweite und einen stärkeren Sprengkopf.

Zehntausende bei neuen Sozialprotesten in Israel

Zehntausende Israelis haben unterdessen am Sonnabend bei den ersten Sozialprotesten seit der großen Sommerkampagne gegen die hohen Lebenshaltungskosten demonstriert. Die größte Kundgebung fand in Tel Aviv statt, wo nach Polizeiangaben etwa 20.000 Menschen auf die Straße gingen. Der Fernsehsender Channel 10 meldete sogar 45.000 Teilnehmer. In Jerusalem waren 5000 Menschen auf den Beinen, teilte Polizeisprecher Mickey Rosenfeld weiter mit.

Auch aus Modiin, Kiriat Schmona, Eilat und Hod Hascharon wurden Demonstrationen gemeldet. Die Kundgebung in der Stadt Beerscheva im Süden des Landes musste jedoch wegen Raketenbeschusses aus dem Gazastreifen kurzfristig abgesagt werden.

Die Protestbewegung hatte ihren bisherigen Höhepunkt im August, als Samstag für Samstag Demonstrationen statt fanden. Am 4. September hatten sich landesweit etwa 450 000 Menschen an der größten Kundgebung in der Geschichte Israels beteiligt. Bei der neuen Protestaktion „Zurück auf die Straße“ wurden Forderungen laut, den Staatshaushalt für 2012 in seiner jetzigen Form zu verwerfen. Die Regierung solle statt dessen gemeinsam mit dem Volk eine Alternative ausarbeiten.

Der konservative Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte unter dem Eindruck der Sommerproteste eine Expertenkommission einberufen. Sie legte im September Vorschläge vor, die vom Kabinett inzwischen im Grundsatz gebilligt wurden.

Demnach sollen unter anderem die Ausgaben für das Militär gekürzt und hunderttausende neue Wohnungen gebaut werden, um die hohen Mieten zu senken. Auch plant die Regierung Steuersenkungen im Energiebereich und die stufenweise Abschaffung von Importzöllen. Zudem sollen die Unternehmens- und Spekulationssteuern sowie die Abgaben für Reiche angehoben werden.