Terroristen versuchen Israels Gasversorgung aus Ägypten zu sabotieren. Die Sprengladung wurde per Fernzündung zur Explosion gebracht.

Hamburg/Kairo. Schüsse aus automatischen Waffen und eine gewaltige Explosion zerrissen am frühen Morgen die Stille im ägyptischen Wüstengebiet von Al-Maidan, 25 Kilometer südwestlich der Stadt Al-Arisch in Sinai. Eine rund 15 Meter hohe Stichflamme schoss empor und setzte in der Nähe stehende Hütten in Brand. Auch ein Olivenhain fing Feuer. Ein Mann kam mit schweren Verbrennungen in ein Krankenhaus.

Die Detonation riss ein Stück aus der Gaspipeline, die Ägypten mit Israel und Jordanien verbindet. Augenzeugen berichteten, sie hätten drei Männer gesehen, die in einem Kleinlaster heranrasten und die Leitung nahe einer Pumpstation mit ihren Waffen unter Feuer nahmen. Ob sie auch Sprengstoff verwendeten, ist unklar.

Erst nachdem die ägyptische Betreiberfirma Gasco - ein Tochterunternehmen des nationalen Gasversorgers Egas - die Zufuhr abgestellt hatte, konnten Feuerwehrleute den lodernden Brand unter Kontrolle bringen.

Es war bereits der sechste Anschlag auf diese Gaspipeline nach Israel seit dem Sturz des ägyptischen Staatspräsidenten Husni Mubarak. Israel bezieht 43 Prozent seiner Gaslieferungen aus Ägypten. Diese Lieferungen - möglicherweise zu erheblichen Vorzugspreisen - sind vielen Ägyptern, vor allem militanten Islamisten, ein Dorn im Auge. Die neue ägyptische Führung hat eine Überprüfung aller Gaslieferungsverträge mit Israel angekündigt, die noch unter Mubarak geschlossen wurden. Berichte, dass Israel Konditionen weit unter Weltmarktniveau erhalte und ägyptische Regierungsbeamte sich an diesem Deal bereicherten, hätten für viel Unmut gesorgt, meldete der US-Sender CNN. Israels Regierung bestritt die Meldungen über Sonderkonditionen und erklärte, seit Juli sei kein Gas mehr aus Ägypten nach Israel geflossen.

Zuletzt hatten vier Terroristen Mitte August versucht die Pipeline bei Al-Arisch zu sprengen. Sie wurden festgenommen. Im Juli hatten mit Maschinengewehren Bewaffnete die Besatzung einer Pumpstation vertrieben und die Leitung gesprengt. Die Pipeline ist seit 2008 in Betrieb und ist ein wichtiges Element der israelisch-ägyptischen Wirtschaftsbeziehungen.

Ägypten hatte nach der Serie von Anschlägen die Militär- und Polizeipräsenz in der Region in Absprache mit Israel erheblich verstärkt und mehrere Kommandoaktionen gegen militante Islamisten gestartet. Im Visier der Behörden steht vor allem die Gruppe Jaish-al-Islam, die dem Umfeld von al-Qaida zugerechnet wird.

Das ägyptische Militär ist zunehmend besorgt über einen wachsenden Einfluss von al-Qaida in Ägypten. Nachdem amerikanische Navy SEALs den saudischen Al-Qaida-Chef Osama Bin Laden in seinem Versteck im pakistanischen Abbottabad erschossen hatten, war dessen langjähriger Stellvertreter Ayman al-Zawahiri an die Spitze des internationalen Terrornetzwerks gerückt. Der gelernte Arzt ist gebürtiger Ägypter und arbeitete als Chirurg in der ägyptischen Armee. Sein Vater war Universitätsprofessor, sein Großonkel Imam an der Al-Azhar-Universität in Kairo, der angesehensten Lehranstalt in der islamischen Welt. Zawahiri ist also in Ägypten bestens vernetzt.

Der neue Al-Qaida-Führer hatte im August eine Audiobotschaft an seine Anhänger herausgegeben, in der es hieß: "Ich lobe die Helden, die die Gaspipeline nach Israel in die Luft gesprengt haben. Ich bitte Allah, sie für diesen heldenhaften Akt zu belohnen." Zawahiri rief seine Anhänger dazu auf, die labile Lage nach dem Sturz Mubaraks auszunutzen. Dieser war von 1981 bis zum Februar dieses Jahres Staatspräsident Ägyptens gewesen und hatte das Amt autoritär bis despotisch ausgeübt. Mubarak war jedoch zugleich der erste arabische Staatsmann, der mit Israel Frieden geschlossen hatte. Er hatte zudem militante Islamisten in Ägypten ohne Erbarmen verfolgt.

Doch nach Mubaraks Sturz hat sich auch in der neuen ägyptischen Führung die im Volk weitverbreitete Israel-Feindlichkeit offen Bahn gebrochen. Vor allem auf dem Sinai tummeln sich mittlerweile eine Reihe von radikalislamischen Extremistengruppen, die Anschläge auf Israel verüben. Sie arbeiten in dem zerklüfteten Gebiet zum Teil mit organisierten Verbrecherbanden zusammen, die unter anderem Waffen schmuggeln.

Das ohnehin angespannte Verhältnis zwischen beiden Nachbarstaaten hatte sich Mitte August dramatisch verschlechtert, nachdem die Besatzung eines israelischen Kampfhubschraubers versehentlich fünf ägyptische Grenzpolizisten erschossen hatte. Die Ägypter hatten Terroristen im Grenzgebiet gejagt, die zuvor im Süden Israels acht Israelis getötet hatten. Es kam in Kairo zu gewalttätigen Massenprotesten vor Israels Botschaft mit drei Toten und 1000 Verletzten. Das Gebäude wurde gestürmt, Israels Botschafter floh nach Tel Aviv; die israelischen Sicherheitsbeamten in der Botschaft mussten von ägyptischen Spezialeinheiten in letzter Minute vor dem wütenden Mob gerettet werden.

Ägyptens Interimsregierungschef Issam Sharaf stellte daraufhin im Staatsfernsehen seines Landes sogar den Friedensvertrag mit Israel von 1979 infrage - worauf Israel den ägyptischen Botschafter zu Gesprächen einbestellte. Sharaf hatte gesagt, dieser Vertrag sei keineswegs "sakrosankt" und könne "zum Wohl der ganzen Region" geändert werden. Außenminister Mohammed Amr beeilte sich nun zu versichern, Ägypten respektiere den Friedensvertrag mit Israel und wolle ihn weder aufheben noch ändern.

Seit der Gründung des jüdischen Staates 1948 haben Israel und Ägypten vier Kriege mit Zehntausenden Toten gegeneinander geführt.