Der Mord an Afghanistans früherem Präsidenten Rabbani verschärft die Sicherheitslage im Land und löste International Bestürzung aus.

Hamburg. Der Mordanschlag auf den früheren afghanischen Präsidenten Burhanuddin Rabbani in Kabul hat international Bestürzung ausgelöst und wirft einen düsteren Schatten auf die verzweifelten Bemühungen, noch eine Friedenslösung für den Hindukusch zu erreichen. Der 71-jährige Tadschike Rabbani war zuletzt Chef des Hohen Friedensrates gewesen. Dieses Gremium besteht aus hochrangigen Vertretern aller wichtigen politischen Gruppen Afghanistans und hat die Aufgabe, eine Aussöhnung mit den radikalislamischen Taliban herbeizuführen.

Rabbanis Vertrauter Mohammed Stanekzai - verantwortlich für die Anwerbung von Taliban-Überläufern - hatte die beiden Selbstmordattentäter in Rabbanis Haus gebracht. Die beiden angeblichen Taliban-Kommandeure hatten Stanekzai und Rabbani erklärt, sie wollten einen konstruktiven Friedensvorschlag der radikalislamischen Miliz überbringen. Einer von ihnen hatte eine Bombe unter seinem Turban. Als er Rabbani begrüßte, zündete er den Sprengsatz. Dabei kamen neben dem Ex-Präsidenten vier weitere Menschen ums Leben; mehrere andere wurden verletzt.

Der Mann mit dem Turban namens Esmatullah hatte offenbar tagelang in einem Gästehaus des Friedensrates auf das Treffen mit Rabbani gewartet. Afghanistans Präsident Hamid Karsai hatte sich von dieser Begegnung allerhand versprochen und Rabbani ausdrücklich zu dem Treffen mit "Esmatullah" ermutigt. Als er von dem Anschlag erfuhr, brach Karsai seinen Besuch bei der Uno in New York ab, kehrte nach Kabul zurück und berief sofort eine Krisensitzung des Kabinetts ein.

Unter anderem äußerten sich US-Präsident Barack Obama, Russland Präsident Dmitri Medwedew und Bundeskanzlerin Angela Merkel entsetzt über die Tat. Sie alle werteten sie als schweren Rückschlag für den ohnehin labilen Aussöhnungsprozess. "Der Angriff auf sein Leben ist ein direkter Angriff auf die Friedensbemühungen in Ihrem Land", schrieb Merkel in einem Kondolenztelegramm an Karsai.

Der früher für seine Brutalität berüchtigte Warlord Rabbani war nominell immer noch Vorsitzender der radikalislamischen Gruppierung Dschamiat-i-Islami, die er früher gegen die sowjetische Armee geführt hatte. Doch schon seit Längerem gab er sich moderat. Rabbani, der 1992 Staatspräsident Afghanistans wurde, 1996 vor den Taliban floh und zum Führer der sie bekämpfenden Nordallianz wurde, galt als wichtiger Mittler zwischen den Bürgerkriegsparteien und als eine der einflussreichsten Figuren in Afghanistan.

Dass der Amtsvorgänger von Karsai ermordet wurde, ist zum einen Indiz dafür, dass die Hardliner unter den Taliban jegliche Friedenslösung für Afghanistan verhindern wollen. Zwar bekannten sich die Taliban zu der Tat - aber erst nach einigem Zögern. Wie der US-Sender CNN meldete, könnte dieses für die Taliban ungewöhnliche Verhalten darauf hindeuten, dass der Anschlag vom Haqqani-Netzwerk ausgeführt wurde. Diese radikalislamische, extrem militante Gruppierung ist mit al-Qaida und den Taliban verbündet; gilt aber zugleich als Instrument des berüchtigten pakistanischen Geheimdienstes ISI. Teile des ISI arbeiten mit den USA-Truppen im Kampf gegen den Terrorismus zusammen, andere stehen jedoch im Verdacht, direkt mit den militanten Extremisten zu kooperieren. Haqqani-Attentäter könnten nach dem alten Spruch gehandelt haben, dass Pakistan keinen Frieden zulassen will, an dem es nicht beteiligt ist, meinte CNN.

Zum anderen könnte der Mord an Rabbani ein weiteres Indiz dafür sein, dass die Taliban und ihre Verbündeten ihre Taktik geändert haben. Durch die ständigen Angriffe der US-Truppen und der amerikanischen Kampfdrohnen sind die Taliban zu einer direkten militärischen Konfrontation derzeit nur noch selten in der Lage. Allenfalls kleinere Kommandotrupps von Selbstmördern greifen gelegentlich offen an - wie vergangenen Dienstag im Herzen von Kabul. Die Aufständischen scheinen dafür nun politische Führungsfiguren der Gegenseite gezielt ermorden zu wollen. Im Juli war Karsais einflussreicher Halbbruder Ahmed Wali Karsai in seinem Haus erschossen worden.