Nach dem Angriff eines entfesselten Mobs auf die israelische Botschaft in Kairo gibt sich Jerusalem versöhnlich und setzt auf die ägyptische Regierung

Kairo. Es ist noch keine 48 Stunden her, dass ein wütender Mob die israelische Botschaft in Kairo stürmte, als Israels Ministerpräsident Netanjahu schon zum zweiten Mal ankündigt, man bemühe sich gemeinsam mit der ägyptischen Regierung um die baldige Rückkehr des Botschafters. Schon am Sonnabendabend war Netanjahu vor die Kameras getreten. Er hätte Grund gehabt zu wettern gegen die Nachlässigkeit der ägyptischen Sicherheitskräfte, die träge Reaktion auf den eklatanten Bruch internationaler Abkommen. Doch Netanjahu gibt sich versöhnlich: Israel werde sich auch weiterhin an den 1979 geschlossenen Friedensvertrag mit Ägypten halten, sagte er, und man konnte fast den Eindruck gewinnen, damit sei das Kapitel für ihn abgeschlossen.

In seiner Eröffnungsansprache zur wöchentlichen Kabinettssitzung widmet er dem Zwischenfall dann auch nur noch wenige Sätze: Die Randalierer in Kairo würden vor nichts zurückschrecken. Sie wollten den Frieden zwischen den beiden Ländern zerstören, sagt Netanjahu. "Ich bin froh, dass es andere Kräfte in Ägypten gibt, die den Frieden bewahren wollen - allen voran die ägyptische Regierung."

Die hatte sich immerhin deutlich von dem Zwischenfall distanziert. Noch am Sonnabend war der ägyptische Informationsminister Osama Heikal vor die Kameras getreten und hatte eine Erklärung verlesen. Ägypten bekenne sich zu den "internationalen Verpflichtungen" gegenüber allen Abkommen und Verträgen, einschließlich des Friedensvertrags mit Israel, sagte der Minister und kündigte an, die Verantwortlichen würden vor Notstandsgerichten zur Verantwortung gezogen werden. Bisher wurden nach Angaben der Zeitung "al-Ahram" 38 Menschen festgenommen. Bei den Unruhen wurden drei Ägypter getötet, etwa 1000 weitere wurden verletzt, darunter 46 Polizisten. Heikal kündigte auch "abschreckende Maßnahmen" an, um weitere Randale zu verhindern. Ägypten befinde sich in einer Krise, und die Regierung werde deshalb einige Befugnisse der weiter gültigen Notstandsgesetze wieder nutzen. Tatsächlich kommt es in Ägypten vermehrt zu Ausschreitungen.

Am vergangenen Wochenende wurde nicht nur die israelische Botschaft angegriffen, auch das Innenministerium, einige Polizeiwachen, Wohlfahrtseinrichtungen und das Hauptquartier der Al-Ghad-Partei wurden zum Ziel. Sogar die Botschaft Saudi-Arabiens musste von Sicherheitskräften mit Tränengas geschützt werden. Demonstranten forderten die Ausweisung des Botschafters, weil ägyptische Pilger von einer saudi-arabischen Fluggesellschaft schlecht behandelt worden waren.

Auslöser für die jüngste Welle der fast täglichen Demonstrationen vor der israelischen Botschaft war der Tod von fünf Polizisten, die von israelischen Sicherheitskräften am 18. August aus Versehen erschossen wurden. Da half es auch nichts, dass Verteidigungsminister Ehud Barak sein Bedauern über den Tod der Ägypter ausdrückte. Vollkommen unerwähnt bleibt in den ägyptischen Medien auch, dass die Ägypter bei der Verfolgung von Terroristen starben, die zuvor von ägyptischem Territorium aus nach Israel eingedrungen waren und dort acht Menschen getötet hatten. Gestern immerhin schwingt in den Kommentaren der ägyptischen Blätter doch ein gewisses Unwohlsein mit, ob der Sturm der israelischen Botschaft nicht ein kaum mehr zu kontrollierendes Chaos einläuten könnte.

Al-Ahram vermutet deshalb gleich eine Verschwörung ausländischer Mächte mit dem Ziel, Ägypten international bloßzustellen. Laut al-Mousri al-Youm waren Mitglieder des alten Regimes für die Tat verantwortlich - gemeinsam mit den USA, einigen arabischen Staaten und natürlich Israel. Wahrscheinlich ist Israel wohl eher ein Vehikel, um der zunehmenden Frustration Ausdruck zu verschaffen. Denn die ohnehin hohe Arbeitslosigkeit hat sich seit Mubaraks Rücktritt nur noch verschlimmert, der Militärrat scheint damit ausgelastet, die Situation an vielen Fronten nicht eskalieren zu lassen. Wael Ghonim, ein Blogger, der zum Helden der Revolution geworden war, fand auf Twitter wohl die deutlichsten Worte: "Was wir heute sehen, ist das Gegenteil von meinem Traum", schrieb er. "Wir müssen schnell aufwachen und unsere Richtung korrigieren, um die Träume der Revolution zu verwirklichen."