Das lange Geschacher um die Lösung der Schuldenkrise hat das Image der USA beschädigt. Sparmaßnahmen könnten Konjunktur weiter schwächen

Washington. Aufatmen in Amerika und in der Welt, doch richtig glücklich ist nach dem Schuldendeal niemand - am wenigsten Barack Obama. Müde und abgekämpft wirkt der Mann im Weißen Haus, als er die Einigung über die Erhöhung der Schuldengrenze bekannt gibt. Grau ist er geworden, das Lächeln ist verflogen. Am Donnerstag wird der US-Präsident 50 - ausgerechnet jetzt durchlebt er die schwerste Herausforderung seiner Amtszeit. Obama, der Loser? "Um dem Chaos zu entkommen, ein furchtbarer Deal", mäkelt die "New York Times".

Stinksauer sind Obamas Demokraten, viele wollen im Parlament gar die Zustimmung verweigern. Ihr Präsident habe im Clinch mit den Republikanern viel zu viel nachgegeben, lauten die Vorwürfe der Parteifreunde.

Dabei hatte Obama monatelang vollmundig auf eine "ausgeglichene Lösung" gepocht. Wenn die Armen massive Kürzungen von Sozial- und Gesundheitsprogrammen schlucken müssen - so Obamas Credo - dann müssen auch die Reichen etwas geben. Doch von Steuererhöhungen für die "oberen Zehntausend" ist nun keine Rede mehr. "Fast vollständige Kapitulation" vor den Republikanern, nennt das die "New York Times". Obama geht mit dem Deal um das Schuldenlimit ein hohes Risiko ein: Er läuft Gefahr, dass ihm seine Nachgiebigkeit von der linken Basis bei den nächsten Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr heimgezahlt wird.

Der mächtigste Mann der Welt wurde im Finanzgeschacher erpressbar - und die Hardliner unter den Republikanern nutzten dies knallhart aus. Obama wollte um jeden Preis vermeiden, dass das Schuldenthema 2012 noch mal auf die Tagesordnung kommt. Er hatte Angst, dass die Republikaner ihn nochmals vorführen könnten. Angesichts schlaffer Konjunktur und hoher Arbeitslosigkeit sind die Aspekte Wirtschaft und Finanzen ohnehin seine Achillesferse.

Allerdings kommt das heikle Thema bald wieder auf den Tisch. Bereits Anfang Oktober beginnt das neue Haushaltsjahr. Die Fundamentalisten der Tea-Party-Bewegung werden es sich nicht nehmen lassen, die Megaschulden und das Megadefizit wieder als Obamas Makel zu präsentieren - und bis zur letzten Minute mit ihrer Zustimmung zu warten. Fatal könnte auch eine andere Nebenwirkung des Deals werden: Ausgerechnet in einer Zeit mit geringem Wirtschaftswachstum müssen die USA jetzt auf Sparen umschalten. Die Furcht geht um, dass weitere Einschnitte das zarte Pflänzchen Konjunktur vollends vertrocknen lassen. Die geplanten Ausgabenkürzungen von 2,4 Billionen Dollar in den nächsten zehn Jahren würden den verunsicherten Investoren, Unternehmern und Verbrauchern zwar einige Unwägbarkeiten nehmen. Das über der Volkswirtschaft schwebende Damoklesschwert einer Bonitätsverschlechterung wäre aber immer noch da, und eine Herabstufung durch die Rating-Agenturen würde jede weitere Kreditaufnahme verteuern.

Etwas Entspannung für Unternehmer und Verbraucher könnte die Tatsache bringen, dass der Kompromiss keine Steuererhöhung vorsieht und dass die Gefahr einer Kernschmelze des Finanzsystems nach Anhebung der Schuldenobergrenze erst einmal vom Tisch ist. Diese Sorge hatte den Konsum ebenso gelähmt wie den Auto- und den Immobilienmarkt.

Volkswirte gehen jedoch davon aus, dass diese Entspannung nur von kurzer Dauer sein wird. Spätestens am kommenden Freitag dürften die Arbeitsmarktzahlen daran erinnern, wie schwach die US-Wirtschaft derzeit ist. Analysten rechnen damit, dass die Arbeitslosenquote bei 9,2 Prozent verharren wird. Hinzu kommt, dass auch die Notenbank Fed kaum noch Munition hat, um den Kampf für einen Konjunkturaufschwung voranzutreiben.

Die Fed hatte in den vergangenen Jahren mit einer fast Null-Zins-Politik und einer Geldschwemme von 2,3 Billionen Dollar versucht, die Konjunktur anzukurbeln - jedoch mit begrenztem Erfolg. Für eine weitere Stimulierungsrunde dürfte sie kaum zur Verfügung stehen. Die wochenlange Hängepartie in Washington dürfte den Zweifeln an Amerikas Führungsfähigkeit neue Nahrung geben.

Die Tatsache, dass eine kleine Gruppen von Populisten und Tea-Party-Fundamentalisten "Washington als Geisel nehmen" - wie Obama sagte -, lässt nichts Gutes ahnen. Da ist es nur ein schwacher Trost, dass auch in Europa die Lage nicht rosig ist. Mit beißendem Sarkasmus meinte Außenexperte Professor Walter Russell Mead zur "New York Times": "Das Gute für uns ist, dass wir mit Europa und Japan im Rennen um die 'verantwortungsloseste Superpower' liegen."